Nach der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegenden zwei Gutachten werde im Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) nicht klar, wie man zwischen einer verbotenen geschäftsmäßigen Suizidhilfe mit Wiederholungsabsicht und einer erlaubten Sterbehilfe im Einzelfall aus selbstlosen Motiven unterscheiden solle. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies diese Kritik zurück.
Auch der Gießener Professor für Öffentliches Recht Steffen Augsberg, der an dem Entwurf beteiligt war, wies die Kritik zurück. Er sieht die geforderte Bestimmtheit erfüllt: "Bestimmtheit bedeutet nicht, dass man jedes Gesetz aus sich heraus als Laie verstehen muss, sondern dass es im juristischen Prozess auslegbar, konkretisierbar ist. Damit habe ich eigentlich keine Probleme, wenn ich mir diesen Gesetzentwurf angucke", sagte er gegenüber domradio.de.
In seinen Gutachten verweist der Wissenschaftliche Dienst auf Palliativmediziner in Hospizen sowie Ärzte auf Intensivstationen. Diese Ärzte, so die Bundestagsjuristen, "könnten regelmäßig aus einem ohnehin bestehenden Behandlungsverhältnis dazu übergehen, ihre Patienten auch hinsichtlich der Sterbehilfe zu beraten und Medikamente zu verschreiben". Sofern diese Ärzte "auf die Wünsche ihrer Patienten eingingen, wäre schnell die Schwelle erreicht, bei der auch das Leisten von Sterbehilfe zu einem wiederkehrenden Bestandteil ihrer Tätigkeit würde". Diese Befürchtung versteht auch Steffen Augsberg, bezeichnet aber gerade das als Sinn und Zweck dieses Entwurfs: "Die Ärzte sollen Angst haben, sich strafbar – so wie alle anderen auch Angst haben sollen, sich strafbar zu machen. Es geht ja genau darum, dass man sagt: Geschäftsmäßigkeit bedeutet wiederholtes Vorgehen, bedeutet organisiertes Vorgehen und damit hängt dann zusammen, dass man dann ein Eigeninteresse entwickelt. Jemand, der immer wieder Suizidbeihilfe anbietet, der das gewissermaßen zu seinem Geschäftsmodell erhebt, der möchte das weiterhin durchführen. Da sieht der Gesetzentwurf ein Risiko, dass damit die autonome Entscheidung des Suizidenten beeinflusst wird."
Ähnliche Bedenken gibt es bei dem Plan einer Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke), die nur die kommerzielle ("gewerbsmäßige") Suizidhilfe mit Gefängnis bestrafen will. Ärzte würden grundsätzlich gewerbsmäßig handeln, auch bei der Beratung von Patienten mit Sterbewünschen. Somit könne "sich bereits durch die allgemeine ärztliche Vergütung ein gewerbsmäßiges Handeln" ergeben, welches Künast und Sitte den Ärzten aber verbieten wollten.
Weitere verfassungsrechtliche Zweifel äußern die Bundestagsjuristen gegenüber dem Plan von Künast und Sitte sowie einer weiteren Abgeordnetengruppe um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD), die Sterbehilfe-Verbote im ärztlichen Standesrecht außer Kraft zu setzen. Für solche Eingriffe in das den Ländern obliegende Standesrecht fehle dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz.
Reaktionen auf Bedenken des Wissenschaftlichen Dienstes
Für die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul, die das Gutachten erbeten hatte, folgt daraus, dass der Bundestag keinem Entwurf zustimmen dürfe. "Allein die aktuelle Rechtslage garantiert Ärzten Straffreiheit bei der Sterbehilfe", sagte Keul der "Welt".
Die Stiftung Patientenschutz wies die Argumente des Wissenschaftlichen Dienstes mit Blick auf den Entwurf Brand/Griese zurück. Es sei "geübte Praxis des Gesetzgebers, Rechtsnormen aufzustellen, die abstrakt sind und generell", sagte Vorstand Eugen Brysch auf Anfrage. Es sei dann Aufgabe von Juristen, diese Formulierungen in der Praxis zu konkretisieren.
Zur Kritik am Begriff der "geschäftsmäßigen" Suizidbeihilfe erklärte Brysch, dieser sei im deutschen Recht ausreichend bestimmt. Die Formulierung besage, dass von Anfang an die Absicht bestehe, ein Angebot wiederholt und dauerhaft zu organisieren. Zugleich betonte Brysch, der wissenschaftliche Dienst des Bundestages irre, wenn er die Tätigkeit von Palliativ- und Intensivmedizinern mit der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe vermenge. Es gehe darum, Leiden zu lindern, und nicht um organisierte Tötungsangebote. "Ärzte bekommen kein Sonderstrafrecht für Tötung und werden wie alle anderen gleich behandelt."