domradio.de: Angefangen hat alles mit einem Syrer, der seine Familie aus Syrien nachholen wollte. Da ging es um 27 Familienmitglieder. Wie viele Syrer leben denn mittlerweile in Ihrer Gemeinde?
Guido Zernak (Koordinator "Netzwerk Syrienhilfe" und Pastoralreferent bei St. Rochus und Augustinus in Bonn): Der, mit dem es anfing, war ein syrischstämmiger Deutscher. Er lebt hier schon seit vielen Jahren und wollte seine Familie hierher holen. Er musste dafür Bürgschaften besorgen und für den kompletten Unterhalt aufkommen. Es sind dann 27 Familienmitglieder nachgekommen, inzwischen sind es über 40. Weitere sind nämlich im Verlauf des Syrienkriegs nachgekommen. Über diese Familie hinaus gibt es natürlich noch andere Flüchtlinge bei uns. Aber das Projekt bezog sich zunächst auf die eine Familie.
domradio.de: Wie leben die Menschen bei Ihnen? Wo leben sie und nehmen sie am Gemeindeleben teil?
Zernak: Wir haben anfangs Wohnungen für die Familienmitglieder gesucht. Sie wohnen alle in Privatwohnungen. Über das "Netzwerk Syrienhilfe" - da sind wir ungefähr 30 Personen - werden die Syrer betreut. Wir haben die Wohnungen für sie ausgestattet, bei den Ämtergängen geholfen, Kindergartenplätze gesucht, Schulangelegenheiten geregelt. Damit wären sie alle komplett überfordert gewesen. Wir haben geschaut, dass sie in Deutschkurse kommen. Seit anderthalb Jahren läuft das Programm. Jetzt ist alles soweit geregelt.
Im Moment ist die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Syrer auch in Arbeit kommen. Das ist eine der größten Hürden. Zwei machen gerade ein Praktikum, mit dem sie hoffentlich ins Berufsleben hinein kommen. Einer hat ab März eine Stelle als Gärtner. Insgesamt gestaltet es sich aber schwierig, weil die Hürden sehr groß sind.
Die Menschen sind in der Gemeinde integriert. Sie machen bei Veranstaltungen mit. Sie haben beim Pfarrfest einen Stand mit syrischem Essen gemacht, damit die Gemeindemitglieder die syrischen Flüchtlinge auch kennenlernen. Es gibt da inzwischen enge Beziehungen.
domradio.de: Ist das Engagement der Ehrenamtlichen denn nach wie vor groß oder erlahmt das auch langsam?
Zernak: Der Kreis im "Netzwerk Syrienhilfe" besteht nach wie vor. Da ist auch die Hilfe uneingeschränkt vorhanden. Wir mussten am Anfang 10 000 Euro pro Monat an Spenden aufbringen, dadurch dass wir die Familie komplett unterstützen mussten. Wir waren sehr viel damit beschäftigt, diese Spenden aufzubringen. Im Frühjahr ist das aber weggefallen, weil sie inzwischen alle Sozialhilfe bekommen, da die Asylanträge bewilligt wurden.
domradio.de: Was raten Sie Gemeinden, die jetzt Flüchtlinge in ihrer Mitte aufnehmen wollen?
Zernak: Ich glaube, das Wichtigste ist: Es ist nicht damit getan, zu sagen, dass man sie aufnimmt. Das zieht ganz viel nach sich. Die Flüchtlinge kommen hier in eine fremde Kultur. Sie kennen sich nicht aus. Sie verstehen die Sprache nicht. Man muss sie wirklich an die Hand nehmen und begleiten. Das machen bei uns Gott sei Dank viele durch unser "Netzwerk Syrienhilfe". Dadurch sind Patenschaften zu den Familien entstanden. Eine Frau zum Beispiel hat alle Schulangelegenheiten für alle Kinder geregelt - alleine hätten die Familien das nicht geschafft. Es ist sehr viel zu tun, um den Flüchtlingen den Start zu ermöglichen. Sie sind schnell überfordert und bringen zusätzlich noch die Last der Erfahrungen aus dem Krieg mit. Das ist eine große Aufgabe. Man braucht dazu viele Helfer.
Das Interview führte Verena Tröster.