Kirchen mit Vorschlägen in der Flüchtlingskrise

Weg mit dem Stacheldraht

Für die Flüchtlingskrise bedarf es aus Sicht der Kirchen in Europa eines gesamteuropäischen Neuansiedlungsprogramms. Die christlichen Kirchen in Deutschland loben und kritisieren derweil die Asylpolitik der Bundesregierung.

Vor dem Europäischen Parlament in Straßburg / © Patrick Seeger (dpa)
Vor dem Europäischen Parlament in Straßburg / © Patrick Seeger ( dpa )

"Wir fordern ein gemeinsames europäisches Asylsystem", heißt es in einem gemeinsamen Schreiben des Weltkirchenrates, der Konferenz Europäischer Kirchen und der Kommission der Kirchen für Migranten, das am Donnerstag in Brüssel und Genf veröffentlicht wurde. Auch die katholischen EU-Bischofskonferenzen unterstützten die Initiative der Europäischen Kommission zu einer faireren Verteilung der Flüchtlinge und gemeinsamen Asylstandards in Europa.

Die europäischen Regierungen müssten sich insbesondere für den Schutz minderjähriger Flüchtlingen einsetzen, denen es als verletzlichster Gruppe an Basissicherung, Familienleben und Bildung fehle, fordern die kirchlichen Dachverbände. Statt Abschreckung sollte die Humanität im Mittelpunkt der Migrationspolitik stehen. In dem Schreiben werden die Mitgliedskirchen ermuntert, bei der humanitären Hilfe für Flüchtlinge ökumenisch zusammenzuarbeiten.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen an den Grenzen Europas ertrinken oder ersticken. Es ist keine Lösung, Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Welt mit Stacheldraht und Mauern davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Vielmehr ist es christliche Pflicht, Flüchtlingen zu helfen - unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Religion", fordert die Kommission der EU-Bischofskonferenzen in einer Stellungnahme. Wenn europäische Sondergipfel jederzeit in der Lage seien, Finanzkrisen zu lösen, müsse dies auch für die Flüchtlingsproblematik gelten.

EU-Kommission will Notumsiedlung von 160.000 Flüchtlingen

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg gesagt, die EU-Staaten hätten die Mittel und Möglichkeiten dazu, um Menschen zu helfen, die auf der Flucht vor Krieg, Terror und Unterdrückung seien. Es sei "eine Frage der Menschlichkeit und der menschlichen Würde". Es sei jetzt nicht die Zeit, sich Ängsten hinzugeben. "Es ist vielmehr an der Zeit für mutiges, entschlossenes und gemeinsames Handeln." Am kommenden Montag (14. September) müssten bei einem Sondertreffen der Innenminister Entscheidungen getroffen werden - dabei geht es um eine faire Verteilung schutzbedürftiger Flüchtlinge.

Die Vorschläge Junckers sehen eine Notumsiedlung von insgesamt rund 160 000 Flüchtlingen innerhalb der EU vor. Griechenland, Ungarn und Italien könnten mit der Last nicht alleine gelassen werden. Die meisten Flüchtlinge betreten derzeit in Griechenland und Italien erstmals den Boden der EU. Eigentlich müssten sie dort auch das Asylverfahren durchlaufen. Von Griechenland reisen Flüchtlinge allerdings in großer Zahl auf der Balkan-Route weiter nach Ungarn. Angesichts dramatischer Zustände hat Deutschland seit dem Wochenende Tausende Flüchtlinge aufgenommen, die zuvor in Ungarn festsaßen.

Vor allem osteuropäische und baltische Staaten wie Polen, Tschechien und die Slowakei stemmen sich bisher gegen Quoten zur Verteilung der Flüchtlinge. Die beiden Länder in Europa, die mit Abstand die meisten Flüchtlinge aufnehmen, sind Deutschland und Schweden.

Kirchen in Deutschland begrüßen Entscheidungen der Bundesregierung

In Deutschland begrüßten die evangelische und die katholische Kirche  die Zusage der Bundesregierung, Länder und Kommunen wegen der Flüchtlingskrise mit sechs Milliarden Euro zu unterstützen. Die zahlreichen Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen sei eine gemeinsame Aufgabe. "Dafür müssen pragmatische, unbürokratische und auch für die Asylsuchenden annehmbare Lösungen gefunden werden", betonte der Leiter des Kommissariats der katholischen deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, am Donnerstag in Bonn. Die Beschlüsse der Koalitionsspitzen zeigten hierfür gute Ansätze. Jüsten begrüßte, dass Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten.

Zugleich warnten Jüsten und sein evangelischer Amtskollege, der Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Martin Dutzmann, vor Abschreckungsmaßnahmen: "Die Situation von Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verschlechtern, zum Beispiel die Geltung der Residenzpflicht auf sechs Monate zu verlängern und Bargeldauszahlungen einzuschränken, lehnen wir ab", erklärte er. Sachleistungen steigerten zudem die Kosten. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Asylbewerber am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können müssten. Dies gelte auch für Ausreisepflichtige.

Die Prälaten erneuern ihre Kritik am Konzept der sicheren Herkunftsstaaten. Es bestehe die Gefahr, dass Schutzbedürftige in verkürzten Verfahren nicht erkannt würden, erklärte Dutzmann. Es müsse zudem nachgewiesen werden, dass in Albanien, Kosovo und Monetenegro tatsächlich alle Bevölkerungsgruppen vor Verfolgung geschützt seien. Die Zugangszahlen von Asylsuchenden aus diesen Ländern seien zuletzt ohnehin gesunken. "Die nun verabredeten alternativen Zuzugsmöglichkeiten und Zugänge zum Arbeitsmarkt für Personen aus den genannten Ländern begrüßen wir ausdrücklich", betonte Jüsten.


Quelle:
epd , dpa , KNA