domradio.de: Vermutlich hatte der Papst einen entscheidenden Anteil an der Annäherung zwischen Kuba und den USA. Hier bloß von einem Vermittlungs-Erfolg zu sprechen, wäre vermutlich ein bisschen schwach ausgedrückt?
Martin Hagenmaier: Das ist schon etwas mehr. Man kann sagen, er hat die Initiative ergriffen und die Vermittlung angestoßen. Papst Franziskus hat persönliche Briefe an Barack Obama und Raul Castro geschrieben. Diese wurden auch persönlich von Kardinal Ortega, dem Erzbischof von Havanna, übergeben. Er war sozusagen der Briefbote. Bei der ganzen Diskretion, die gewahrt werden musste, war es gar nicht einfach, die Briefe an Obama zu übergeben. Die Vorverhandlungen haben im Vatikan in einer geschützten Atmosphäre stattgefunden, so dass der Prozess reifen konnte, bis die beiden Präsidenten dann an die Öffentlichkeit gegangen sind.
domradio.de: Wenn sich das kubanische Regime schon in Richtung USA geöffnet hat, nährt das Hoffnungen auf weitere Veränderungen. Was erwarten die Kubaner jetzt vom Papst?
Martin Hagenmaier: Die Erwartungen sind sicher sehr groß. Franziskus ist jetzt der dritte Papst innerhalb von 17 Jahren, der nach Kuba kommt. Damit hat Kuba eine Ausnahmestellung, was die Besuchshäufigkeit der Päpste in diesem Zeitraum angeht. Es herrscht eine große Vorfreude im Land. Diese bezieht sich nicht nur auf die Katholiken, sondern alle Kubaner freuen sich auf den Besuch des Papstes. Für die Gläubigen ist es ein wichtiges Fest für die Stärkung des Glaubens. Der Besuch kann auch bewirken, dass die Menschen, die bisher gezögert haben, sich stärker bekennen und mehr auf die Kirche zugehen. Aber es gibt auch innerhalb der Gesellschaft große Erwartungen, dass der Papst die Bevölkerung ermutigt und ihnen Hoffnung gibt, damit sie das Land nicht verlassen, sondern aktiv an der Veränderung der Gesellschaft mit friedlichen Mitteln arbeiten. Gleichfalls gibt es auch dahingehend Erwartungen, dass das neue Verhältnis zu den USA auch die materiellen Bedingungen für die Kubaner verbessert, von denen viele in Armut leben.
domradio.de: Franziskus nimmt gewöhnlich kein Blatt vor den Mund. Wird er das Thema Menschenrechte ansprechen?
Martin Hagenmaier: Der Papst wird sicherlich die Themen ansprechen, die in den Menschenrechten verankert sind. In welcher Art und Weise er das machen wird, ist offen. Denn es gilt, einen Spagat zu machen und einerseits die Regierung nicht vor den Kopf zu stoßen und andererseits aber auch klar zu sagen, was er meint und wie die Haltung der katholischen Kirche aussieht. Diese Haltung ist sehr klar. Die Bischöfe in Kuba haben in ihrem Pastoralplan sehr deutlich gesagt, was sie für eine Meinung und Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung des Landes haben.
domradio.de: Ein weiterer Schritt wäre, sich nicht nur mit dem Castro-Clan zu zeigen, sondern auch Regimekritiker zu treffen. Halten Sie das für möglich?
Martin Hagenmaier: Das ist laut Protokoll nicht vorgesehen. Es kann natürlich gut sein, dass es am Rande Möglichkeiten zum Gespräch geben wird. Ich bin da aber eher skeptisch.
Das Interview führte Daniel Hauser