domradio.de: Bundespräsident Joachim Gauck lobte erst letzte Woche die deutschen Mitbürger für ihre Hilfsbereitschaft und ihre Willkommenskultur. Trotzdem finden immer noch Pegida-Demonstrationen statt? Warum tut sich die Willkommenskultur beispielsweise in Sachsen so schwer?
Winfried Weinrich (Leiter des katholischen Büros im Bistum Erfurt): Es ist mir nicht ganz leicht, etwas über Sachsen zu sagen, weil ich hier in Thüringen im Augenblick eine sehr starke Hilfsbereitschaft im ehren- und hauptamtlichen Bereich erlebe. Die Pegida-Demonstrationen, die wir hier auch hatten, spielen in Thüringen inzwischen kaum noch eine Rolle. Aber ich sehe sehr wohl, dass es in Sachsen nach wie vor ein Potential derer gibt, die diese Entwicklung kritisch sehen und sich diesem Flüchtlingsstrom entgegenstellen. Das erfüllt mich auch mit Sorge. Aber es tröstet mich, dass ich den Eindruck habe, dass nach wie vor eine Mehrheit der Menschen in unserem Land - nicht nur in Thüringen - mit großer Hilfsbereitschaft denen begegnen, die in Not sind und auch unsere Hilfe brauchen. Damit meine ich vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge.
domradio.de: Wie schätzen sie denn die Pegida Bewegung ein? Bleibt sie stabil? Oder verliert sie Anhänger?
Winfried Weinrich: Die Pegida-Bewegung hat sich teilweise gespalten. Sie verliert auch Anhänger. Allerdings müssen wir sehr aufmerksam sein und beobachten, wie sich auch künftig Lasten in Bezug auf Flüchtlinge verteilen. Wir müssen sehen, wie wir das Problem auf breitere Schultern verteilt bekommen, damit man diesen Pegida-nahen Kräften, die sich gegen Flüchtlingsströme stellen und eine Überfremdung der Gesellschaft fürchten, den Wind aus den Segeln nimmt. Das ist eine Herausforderung, die über die Ländergrenzen hinausgeht, um nicht wieder ein Potential wie vor einem halben Jahr in Dresden zu bekommen.
domradio.de: Wer trägt denn die ganzen Lasten? Das sind nicht nur die Kirchen, oder?
Winfried Weinrich: Ich rede nicht nur von den Kirchen. Ich sehe, dass Deutschland momentan - was die Flüchtlinge betrifft - eine sehr große Last trägt. Und ich hoffe ganz dringend, dass es Regelungen gibt, um die Anforderungen von allen europäischen Ländern geschultert zu bekommen. Das ist wichtig, damit auch die Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland stabil bleibt, nicht überstrapaziert wird und wir keine haupt- und ehrenamtlichen Helfer überfordern.
domradio.de: Wie gehen Sie als katholische Kirche in Erfurt und auch in Sachsen damit um? Was tun Sie gegen Pegida und für die Helfenden?
Winfried Weinrich: Wir haben in der letzten Woche konkret versucht, Wohnungen in Pfarrhäusern und leerstehenden sozialen Einrichtungen bereit zu stellen. Ich werde mit dem Landrat im Eichsfeld über eine größere Einrichtung sprechen und klären, in wieweit dort Flüchtlinge reinkommen können. Vor zwei Wochen hat das Bistum Erfurt zusammen mit der evangelischen Kirche, dem DGB und dem Verband der Wirtschaft Thüringen einen gemeinsamen Aufruf, ein "Soziales Wort", zum Umgang mit Flüchtlingen gestartet, um für einen menschenwürdigen Umgang mit Menschen in Not zu werben. Darin machen wir klar, dass Hassparolen, Gewalt oder das Anzünden von Flüchtlingsunterkünften kein Weg ist. Das sind kleine Beiträge, aber sie sollen auch dazu führen, ein Klima der Gastfreundschaft zu erhalten.
Das Interview führte Daniel Hauser