Selten zuvor sorgte ein Papst im Präsidentschaftswahlkampf für so viel Aufmerksamkeit wie Franziskus. Vergleichbar scheint höchstens die Situation rund um die Kandidatur des Katholiken John F. Kennedy, die für das Weiße Haus immenses Interesse an einem möglichen Einfluss der Kirche auf die US-Politik auslöste. Das ging so weit, dass sich Kennedy 1960 genötigt sah, in einer Grundsatzrede vor protestantischen Pfarrern in Houston seine Unabhängigkeit von Rom zu versichern.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später wiederholt ein anderer katholischer Präsidentschaftsbewerber dieselbe Botschaft. "Ich hole mir die Wirtschaftspolitik nicht von meinem Bischof oder meinem Kardinal oder meinem Papst", erklärte der Republikaner Jeb Bush auf die Frage, wie er es mit der Umweltenzyklika «Laudato si» halte. Religion helfe dabei, "eine bessere Person" zu werden, erklärte der zum Katholizismus übergetretene Präsidentschaftsanwärter. Aus der Politik halte sich die Kirche jedoch besser heraus.
Entfremdung der Republikaner vom Papst
Dabei waren es gerade die Republikaner, die in den vergangenen Jahren darauf hingearbeitet haben, die Grenzen zwischen Religion und Staat in den USA zu verwischen. Als Gouverneur von Florida schaltete sich Bush aktiv in die Kontroverse um die Wachkoma-Patientin Terri Schiavo ein und sorgte für strengere Abtreibungsregelungen.
Dass er nun ganz andere Töne anschlägt, hat viel mit den Botschaften von Papst Franziskus zu tun. Konservativen US-Politikern fiel es zu Zeiten von Benedikt XVI. und Johannes Paul II. sehr viel leichter, Gemeinsamkeiten mit den Positionen des Heiligen Stuhls zu finden. Diese setzten sich zwar auch für die Armen oder die Umwelt ein, aber längst nicht mit so viel Nachdruck und so hoher Priorität wie Franziskus. Ohne sie aufzugeben, ordnet der Argentinier auf dem Stuhl Petri bisherige Schwerpunkte wie Abtreibung, Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen und Sterbehilfe anderen Themen unter. Das Ergebnis ist eine zunehmende Entfremdung der Republikaner von der Agenda des Papstes.
Nirgendwo wird das deutlicher als bei der Forderung des Papstes, Einwanderer willkommen zu heißen. Der Spitzenreiter im Feld der konservativen Präsidentschaftsanwärter, der Multimilliardär Donald Trump, setzt sich für das genaue Gegenteil ein. Er will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und die rund elf Millionen Einwanderer ohne Papiere ausweisen.
Nicht alle Präsidentschaftsbewerber unterstützen Umweltenzyklika
Auch bei anderen Themen präsentiert sich der Papst als - so eine treffende Charakterisierung des Kolumnisten Timothy Eagan - ein "Anti-Trump". Nicht einer der republikanischen Präsidentschaftsanwärter - auch nicht die sechs Katholiken im Kandidatenfeld - unterstützt etwa die in der Umweltenzyklika "Laudato si" dargelegten Positionen des Papstes bei der Sorge um die Schöpfung, den Klimawandel und die Kritik an ungebremstem Kapitalismus.
Der Chor der republikanischen Papstkritiker reicht von Trump über Bush, Marco Rubio, Scott Walker hin bis zu Rand Paul, Mike Huckabee und Ted Cruz. Ihr Standardargument: "Der Papst ist kein Politiker". Als solchen sieht sich auch Franziskus nicht. Er agiert als Kirchenoberhaupt - aber vertritt als solches Positionen, zu denen sich die Politiker verhalten müssen. Hillary Clinton und die beiden Katholiken Martin O'Malley und Joe Biden haben weniger Probleme als ihre Konkurrenten, da sie bei den Themen Klima und soziale Gerechtigkeit breitere Schnittmengen mit Franziskus aufweisen.
Am häufigsten zitiert kurioserweise jedoch ein Kandidat den Papst, der nicht einmal Christ ist. Der jüdische Linkspolitiker Bernie Sanders verbreitet seit Ende Mai jeden Sonntag ein Zitat von Franziskus über Twitter. Der Demokrat sieht sich bei fast allen Themen in Einklang mit dem Papst und wird nicht müde, ihn zu loben.
Laudato si.