Am heutigen Donnerstag wollen die Teilnehmer des EU-Afrika-Gipfels auf Malta einen 17-seitigen Aktionsplan verabschieden, der vor allem die Ursachen der Flucht eindämmen soll. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen da, wo sie geboren sind und aufwachsen, auch ihr Leben verbringen können", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin. Dazu gehöre auch, dass Klimaschutz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in den Ländern Afrikas vorankämen.
Der Aktionsplan umfasst unter anderem einen Treuhandfonds, für den die EU-Kommission 1,8 Milliarden Euro bereitstellt. Die afrikanischen Länder sollen im Gegenzug zu einer Politik verpflichtet werden, die insbesondere Jugendlichen in ihrer Heimat klare Perspektiven eröffnet.
Schulz: Langer Atem nötig
Umstritten sei noch, inwieweit man die Entwicklungshilfe an die Bereitschaft der Länder koppeln könne, abgelehnte Flüchtlinge aus Europa wieder zurückzunehmen, hieß es am Mittwochabend. Das Thema Wiederaufnahme ist auch deshalb besonders umstritten, weil in vielen Ländern die Summe der Geldüberweisungen von Asylbewerbern an die Familien in der Heimat höher sei als die Entwicklungshilfe.
Schulz betonte, dass der Plan keine kurzfristigen Lösungen bringen könne. Auch den Menschen in Deutschland müsse man sagen, dass man einen langen Atem brauche. Die Menschen in Afrika müssten in ihrer Heimat sicher und gut leben können, zugleich aber dürfe der Fonds nicht korrupte Politiker und Diktatoren stärken.
Merkel fordert kameradschaftliches Verhältnis
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zum Auftakt des EU-Afrika-Gipfels im maltesischen Valletta auf eine Verbesserung der Lebensperspektiven in afrikanischen Ländern gedrängt. Europa und Afrika müssten auf ein "kameradschaftliches Verhältnis" hinarbeiten, sagte die Kanzlerin am Mittwochabend bei ihrer Ankunft am Tagungsort. Dieses Verhältnis müsse sowohl Hilfe als auch klare Forderungen umfassen. Der geplante EU-Afrika-Aktionsplan zur Flüchtlingskrise werde "die afrikanischen Regierungschefs darauf verpflichten, mit ihren Zivilgesellschaften, mit ihren Bürgerinnen und Bürgern so umzugehen, dass die Jugend des Kontinents eine Chance hat", sagte Merkel.
Der Aktionsplan ziele auch auf den Kampf gegen illegale Migration, auf legale Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme in Europa und auf eine verstärkte Entwicklungshilfe ab, erläuterte die Kanzlerin. Der Austausch zwischen EU und Afrika sei auch von großer Bedeutung, «wenn es darum geht, Schmugglern und Schleppern schrittweise das Handwerk zu legen», unterstrich sie. Der EU-Afrika-Gipfel mit mehr als 60 Teilnehmerländern, den die EU-Kommission seit den Bootstragödien im Mittelmeer im Frühjahr vorbereitet hatte, dauert bis Donnerstagnachmittag.
Schulz: Mehr legale Einwanderung
Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), forderte vor Beginn des Gipfeltreffens mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Europa. "Wir brauchen seit Jahrzehnten ein Einwanderungsrecht", sagte Schulz im Bayerischen Rundfunk. Er verlangte "einen ausgeweiteten Schutz für Menschen, die nicht politisch verfolgt sind". Schulz forderte zudem eine Erhöhung der Entwicklungshilfegelder, sofern die Empfängerstaaten sich an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit halten.
Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament trafen sich vor der Konferenz mit Rechtsexperten, um Möglichkeiten für eine Einführung humanitärer Visa für Flüchtlinge auszuloten. Die Sozialdemokraten wollen nach eigenen Angaben Änderungen am EU-Visakodex vornehmen, um es Asylsuchenden zu ermöglichen, direkt in das Land ihres Asylantrags zu fliegen. "Das aktuelle System hat Tausende unnötige Todesfälle im Mittelmeer bewirkt", kritisierte die aus Slowenien stammende Fraktions-Vizepräsidentin Tanja Fajon.
1,8 Milliarden Euro der EU-Kommission
Die Staats- und Regierungschefs Europas und Afrikas wollen sich auf dem zweitägigen Gipfeltreffen auf einen gemeinsamen Aktionsplan verständigen. Laut Entwurf will die EU afrikanischen Staaten, die bei der Rücknahme von Flüchtlingen kooperieren, mehr Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. Nach Angaben der EU-Kommission in Brüssel wird am Donnerstag ein Notfall-Treuhandfonds für Afrika auf den Weg gebracht. Er enthält 1,8 Milliarden Euro der EU-Kommission sowie weitere Beiträge aus den europäischen Ländern.
Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, rief die europäischen Regierungschefs zu mehr Einigkeit auf, um eine "umfassende Strategie" zur Lösung der Flüchtlingskrise zu erarbeiten. "Es ist positiv, dass afrikanische und europäische Staatenlenker sich treffen», unterstrich er. «Es wäre jedoch eine Beleidigung jener Menschen, die vor Kriegen, Elend und Armut fliehen, zu glauben, dass sich die Flüchtlingskrise durch mehr Geld für afrikanische Länder einfach so lösen lässt."
Der Afrika-Beauftragte von Bundeskanzlerin Merkel, Günter Nooke (CDU), sieht in dem Sondergipfel einen ersten wichtigen Schritt zur Eindämmung der Flüchtlingskrise. In einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) räumte er ein, dass es durchaus problematisch sei, mit einigen afrikanischen Diktaturen zu verhandeln. Konkret verwies er auf die Regierung Eritreas. Allerdings zeigten Beispiele wie Afghanistan und Libyen, dass Interventionen «auch nicht wirklich geholfen» hätten und mindestens so teuer seien wie gezielte Programme, die die Situation der Bevölkerung vor Ort spürbar verbesserten, sagte Nooke.