Missbrauchsskandal 2010, Affäre um Bischof Tebartz-van Elst 2013 - gemessen an den Aufreger-Themen der vergangenen Jahre, können die deutschen katholischen Bischöfe an diesem Montag mit einiger Gelassenheit zum Papst reisen.
Laut Kirchenrecht muss jede Bischofskonferenz alle fünf Jahre in den Vatikan reisen, um die Zentrale über neueste Entwicklungen zu informieren. Der letzte sogenannte Ad-limina-Besuch (Besuch an den Gräbern der Apostel) der deutschen Oberhirten liegt allerdings schon neun Jahre zurück - war also lange vor den dramatischen Entwicklungen, die die Kirche in Deutschland in eine Vertrauenskrise gestürzt hatten.
Franziskus-Effekt und starke Statements aus den Bistümern
Die Gespräche mit Papst Franziskus und den Ministerien im Vatikan sind nicht öffentlich - ebenso wenig wie die 50 bis 100 Seiten umfassenden Berichte über den Zustand der Diözesen, die jeder der 27 Diözesanbischöfe vorab einreichen muss. Doch es ist zu vermuten, dass die Bischöfe durchaus wieder mehr Positives berichten können. Zumindest die Stimmung ist besser geworden.
Nicht nur der Franziskus-Effekt hat dazu beigetragen. Das Engagement für Flüchtlinge beispielsweise hat viele Gemeinden aktiviert und viele Bischöfe zu klaren Stellungnahmen bewegt. Dass das Erzbistum Köln im Juni die Glocken in Erinnerung an Tausende ertrunkene Flüchtlinge läuten ließ und die Beleuchtung der Dome in Köln und Erfurt wegen der Pegida-Demonstrationen abgeschaltet wurde, stieß zwar auch auf Widerspruch. Dennoch präsentierte sich die Kirche als starke moralische Instanz.
Mit Blick auf den Limburger Skandal starteten die Bistümer eine Transparenzoffensive: Diözesen wie Köln oder Paderborn legten ihre beträchtlichen Vermögen offen. Für Glaubwürdigkeit sorgte auch, dass die Bischöfe die Ergebnisse der vom Papst in Auftrag gegebenen Umfrage zu Sexualität und Familie veröffentlichten - mit dem nicht überraschenden Ergebnis, dass eine tiefe Kluft zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der meisten Katholiken besteht.
Reformen an mehreren Stellen
Nicht nur der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, zeigte sich überzeugt, dass es in der Kirche eine neue Gesprächskultur und neue Offenheit gibt. Wegweisend war der im Herbst nach fünf Jahren zu Ende gegangene Dialogprozess, den die Bischöfe nach dem Missbrauchsskandal auf den Weg gebracht hatten.
Weithin registriert wurde auch, dass die deutschen Bischöfe mit großer Mehrheit im Vorfeld der Familiensynode im Vatikan für Reformen beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen plädierten. Bei der Synode im Oktober gab es für sie zumindest einen Teilerfolg; der Abschlusstext öffnet nach Meinung der Bischöfe bei diesem Thema Türen.
In eine ähnliche Richtung ging auch die im Sommer in Kraft getretene Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Wenn Beschäftigte von Kirche und Caritas nach einer Scheidung erneut zivil heiraten oder eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingehen, soll das nur noch ein Ausnahmefällen eine Kündigung nach sich ziehen.
Schweres Reisegepäck
Bei allen positiven Entwicklungen haben die Bischöfe jedoch auch Lasten im Reisegepäck. Die im Sommer veröffentlichte Kirchenstatistik bedeutete einen Schock: 2014 erklärten 217.716 Katholiken ihren Austritt aus der Kirche - ein Negativ-Rekord. Ursachen waren das Drama um den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, das damals seinem Höhepunkt zusteuerte, und ein neues Einzugsverfahren auf Vermögenserträge, das bei manchen den Eindruck erweckte, als würde eine zusätzliche Kirchensteuer eingeführt.
Doch das reicht nicht zur Erklärung: Religionssoziologen sprechen von einer generell nachlassenden Kirchenbindung. Negative Ereignisse werden dann leicht zum Anlass genommen, die Kirche zu verlassen. Allerdings zeigen sich in der Statistik auch positive Indikatoren. So stieg der Anteil der sonntäglichen Gottesdienstbesucher nach Jahrzehnten erstmals wieder leicht an. Ähnliches gilt für Erstkommunionen und Eheschließungen. Denkbar, dass die Kirche zwar an ihren Rändern weiterhin sogenannte Taufschein-Christen verliert, gleichzeitig aber in ihrem Kern der Anteil der "praktizierenden Katholiken" wieder wächst.