Zweiter Besuchstag von Franziskus in Kenia

Der Papst, die Muslime und Hans Küng

Islamistische Terroranschläge belasten das Verhältnis von Christen und Muslimen in Kenia. Doch der oberste islamische Repräsentant des Landes begrüßte den Papst mit einem Zitat des deutschen Theologen Hans Küng, einem Vordenker des interreligiösen Dialogs.

Autor/in:
Thomas Jansen
Papst Franziskus hält seine Rede am Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen / © Paul Haring (dpa)
Papst Franziskus hält seine Rede am Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen / © Paul Haring ( dpa )

In Nairobi ereignete sich am Donnerstag Denkwürdiges: Der oberste Repräsentant der Muslime in Kenia begrüßte Papst Franziskus mit einem Zitat des christlichen Theologen Hans Küng: "Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen", sagte Abdulghafur El-Busaidy. Die bekannte Aussage des Tübinger Systematikers, dem der Vatikan 1979 die Lehrerlaubnis entzog, stammt aus seinem Buch "Projekt Weltethos" von 1990. Der Vorsitzende des "Obersten Rates der kenianischen Muslime" machte sich in seiner Ansprache das Anliegen Küngs zu eigen und plädierte für gemeinsame Institutionen der Religionen.

Die Begegnung mit El-Busaidy war mehr als nur ein Standardtermin des Papstes. Auch wenn das Treffen mit Vertretern anderer Religionen und christlicher Konfessionen in der Vatikanbotschaft nach Angaben von Beobachtern recht förmlich verlief - wohl aufgrund der sprachlichen Barriere. Franziskus spricht nur wenig Englisch.

Belastetes Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in Kenia

Denn die verheerenden Terroranschläge der islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Kenia belasten das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen. So kamen im April beim Überfall auf die Universität von Garissa 148 Menschen ums Leben. Die Muslime, die nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 30 Prozent der mehrheitlich christlichen Bevölkerung ausmachen, werfen der Regierung des Staatspräsidenten und Katholiken Uhuru Kenyatta Diskriminierung und willkürliche Massenverhaftungen vor. Im Zuge des Antiterror-Kampfs würden vor allem die mehr als 600.000 Flüchtlinge aus Somalia unter Generalverdacht gestellt, so die Kritik.

Das verlieh Franziskus' Appell für ein gemeinsames Eintreten gegen religiösen Extremismus und Terrorismus im Beisein des muslimischen Repräsentanten besondere Bedeutung. Zugleich stärkte der Gast aus Rom damit den Kurs der katholischen Bischofskonferenz Kenias, die schon seit längerem den Dialog mit den Muslimen pflegt.

Plädoyer für die Familie

In seinem ersten öffentlichen Gottesdienst auf afrikanischem Boden beließ es der Papst anschließend nicht bei einem allgemeinen Plädoyer für die Familie. Stattdessen las er den Männern des Landes die Leviten und prangerte weibliche Genitalverstümmelung an. In seiner Predigt rief er zu "Widerstand" gegen Praktiken auf, "die die Arroganz von Männern fördern, Frauen verletzen oder missachten, die Alten ignorieren und das noch nicht geborene unschuldige Leben bedrohen".

Die Genitalverstümmelung ist bei vielen Volksgruppen des Landes nach wie vor verbreitet. Nach UN-Angaben haben in Kenia 27 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren eine solche Verletzung erlitten. Frauen sind in der patriarchalischen Gesellschaft des Landes häufig Opfer häuslicher Gewalt. Da traf es sich gut, dass die deutliche Mehrheit der Zuhörerhaft auf dem Campus der Universität von Nairobi männlich war.

Treffen mit Geistlichen

In seinem Element war Franziskus an seinem zweiten Besuchstag in Kenia wieder einmal beim Treffen mit Priestern, Ordensleuten und angehenden Priestern auf dem Sportplatz einer katholischen Schule. Er ließ seine vorbereitete Rede beiseite und sprach in seiner Muttersprache Spanisch. Ein Dolmetscher übersetzte ins Englische. Franziskus scherzte, er sei ein "sehr unhöflicher" Papst. "Ich sage euch, was zu tun ist, und sage euch nicht einmal Danke dafür". Die Botschaft des Papstes lautete: Lasst euch nicht bedienen, seid selbst Diener.

Rede am Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen

Perfekt terminiert war die Rede des Papstes am Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP in Nairobi. Die Mitarbeiter empfingen ihn dort mit ungewöhnlich stürmischem Applaus. Vier Tage vor Eröffnung der Weltklimakonferenz in Paris nutzte er die Gelegenheit, um seinen Appell zum Klimaschutz und weitere zentrale Forderungen seiner Umweltenzyklika "Laudato si" vom Juni erneut an die Staatengemeinschaft zu richten.

Wie kein Papst zuvor ging er in der langen Rede auf einzelne UN-Konferenzen und konkrete Ziele ein. Die Konferenz von Paris könne ein "klares Signal" für eine Korrektur des jetzigen Modells von Entwicklung sein, so der Papst. An diesem Freitag reist er nach dem Besuch eines Slums von Nairobi und einem Treffen mit Jugendlichen ins Nachbarland Uganda weiter.


Quelle:
KNA