domradio.de: Wenn sich deutsche Repräsentanten des Islam zu Terror-Akten äußern und sagen "Das ist nicht der Islam", dann wird ja schon deutlich, dass da eine Definitionslücke existiert. Wie wollen Sie als Repräsentant einer christlichen Gruppierung dazu beitragen, zu definieren, was der Islam ist und was nicht?
Prof. Thomas Sternberg: Das werden natürlich christliche Gruppen nie definieren können. Uns überliegt da keine Definitionsmacht. Nur über eines sind wir uns sicher, nämlich dass der Islam als eine der großen Weltreligionen in seinem Kern nicht terroristisch und nicht kriegerisch ist. Das muss von Muslimen und auch von Christen deutlich gemacht werden. Der Heilige Vater war gerade in Afrika und hat als wichtige Botschaft mitgebracht, dass sich nicht im Kopf festsetzen sollte, dass der Islam gegen das Christentum einen Krieg führt. Nein, es sind terroristische Gruppen, die Versatzstücke des Islam missbrauchen. Wichtig ist, dass man zwischen der Religion des Islam und dem Ausnutzen von Versatzstücken für den Terrorismus zu unterscheiden lernt.
domradio.de: Von deutschen Muslimen wird immer wieder gefordert, sich zu distanzieren, wenn es zu Terror-Akten im Namen des Islam kommt. Sie fordern da ja international noch konkretere Formen der Reaktion, oder?
Prof. Thomas Sternberg: Es hat solche Reaktionen übrigens auch schon gegeben. Im vorigen Jahr gab es eine Erklärung von 120 sehr hohen islamischen Gelehrten, die eine Antwort für den Anführer des IS formuliert haben. Sie haben ganz deutlich klargestellt, dass das eine anti-islamische Bewegung ist. Nur muss man es noch deutlicher machen, denn bei vielen Menschen existiert eine Angst, als wenn mit dem Islam so etwas wie Terrorismus und Gewaltbereitschaft verbunden wäre.
domradio.de: Gucken wir nach Deutschland. Inwiefern sind Sie mit muslimischen Verbänden im Gespräch über Maßnahmen, die Terror und Islam nicht ins gleiche Licht rücken?
Prof. Thomas Sternberg: Es gibt seit dem Jahr 2000 schon den Gesprächskreis "Christen und Muslime" im Zentralkomitee der Katholiken. Dieser Gesprächskreis ist sicherlich ein ganz wichtiges Forum, in dem man solche Fragen diskutiert und bespricht.
domradio.de: Was konkret können Sie über Ergebnisse, Tendenzen oder positive Entwicklungen berichten?
Prof. Thomas Sternberg: Solche Gesprächskreise sind in allererster Linie vertrauensbildende Maßnahmen. Der Dialog passiert übrigens auch nicht nur im Gesprächskreis "Christen und Muslime" im ZdK, sondern auch in vielen unserer Gemeinden, wo es Kontakte zu Moscheegemeinden oder Muslimen gibt. Nichts ist besser für die gegenseitige Wahrnehmung als Bildung, Aufklärung und die persönliche Begegnung.
domradio.de: Inwiefern denken Sie auch an die Muslime, die gerade als Flüchtlinge nach Deutschland kommen und in diesem Moment ja noch von niemandem vertreten werden?
Prof. Thomas Sternberg: Ich bin immer wieder etwas erstaunt darüber, dass man bei den Flüchtlingen gerne davon spricht, dass darunter auch Terroristen seien. Man muss festhalten, dass die Menschen, die zu uns kommen, vor dem Terror des IS fliehen. Der IS hat vor allen Dingen in großer Menge Muslime umgebracht und die Menschen fliehen vor diesen Gräueltaten. Die Muslime, die nach Deutschland kommen, sind andere Muslime als die, die in Deutschland immer noch die größte Gruppe darstellen. Das sind die türkischstämmigen Muslime, die in der DITIP organisiert sind. Die kennen wir mittlerweile gut und haben gute Kontakte geknüpft. Jetzt wird wahrscheinlich noch einmal eine andere Seite des Islam durch die Syrer gestärkt werden. Wie unterschiedlich der Islam ist, das können wir uns schon daran klarmachen, wenn wir selber auf unsere Glaubensbrüder- und schwestern blicken und sehen, wie sich ein syrisch-orthodoxer Christ von einem reformierten Protestanten aus den Niederlanden unterscheidet.
domradio.de: Was heißt das denn in der Konsequenz? Sie sind ja auch jemand, der den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen fordert. Wenn wir es jetzt mit so vielen unterschiedlichen Glaubensströmungen zu tun haben, welcher Islam soll denn dann unterrichtet werden?
Prof. Thomas Sternberg: Die Vielfalt macht das Problem des islamischen Religionsunterrichts sicher nicht einfacher. Wir haben bisher teilweise Hilfskonstruktionen gehabt. In Nordrhein-Westfalen ist beispielsweise für die inhaltliche Bestimmung des Religionsunterrichts ein Gremium gebildet worden, in dem die Verbände des islamischen Koordinationsrates und andere Persönlichkeiten sitzen. Aber es wird auch nicht für den Koordinationsrat einfacher. Das sind im Grunde Dinge, die in der Selbstorganisation der muslimischen Gemeinden liegen. Das ist von uns eigentlich nur zu begleiten.
Das Interview führte Daniel Hauser.