Taizé-Jugendtreffen in Valencia

"Kraftvolles Zeichen, um ins neue Jahr zu starten"

Das Taizé-Jugendtreffen in Valencia setzt gleich mehrfach ein Zeichen gegen Zerrissenheit - das betont Kristell Köhler vom Jugendpastoralen Zentrum CRUX. Im Interview mit domradio.de spricht sie über die Kraft gemeinsamer Gebete und Lieder.

Jugend und Spiritualität: Abendgebet beim Taizé-Treffen in Valencia / © Mercedes Herran (KNA)
Jugend und Spiritualität: Abendgebet beim Taizé-Treffen in Valencia / © Mercedes Herran ( KNA )

domradio.de: Sie sind jetzt seit mehreren Tagen da, es gibt täglich Gebete und Begegnungen mit den gastgebenden Kirchengemeinden. Wen haben Sie denn da schon getroffen?

Kristell Köhler vom Jugendpastoralen Zentrum CRUX in Köln: In unserer Kirchengemeinde gibt es vor allem ganz engagierte jüngere Ehepaare und Familien, die uns aufgenommen haben. Und auch der örtliche Pfarrer hat uns einiges über die Kirchengemeinde selbst erzählt. Da wo ich untergebracht bin, das war bis vor 40 Jahren noch ein Feld nahe dem Stadtkern von Valencia. Und vor 40 Jahren ist dort ein Priester, der vorher zu Missionszwecken unterwegs war, gelandet und hat dort eine Gemeinde gegründet. Die Kirche ist eigentlich eher unscheinbar - fast im Hinterhof - ein großer Raum. Aber es gibt ganz offensichtlich ein sehr engagiertes Gemeindeleben, denn wir sind da sehr herzlich aufgenommen worden und es gibt eine große Zahl an freiwilligen Helfern aus der spanischen Gemeinde. Obwohl die selbst noch nie in Taizé waren, erzählen sie mit Begeisterung davon, was es für sie bedeutet, uns aufzunehmen. Das sind die einen Menschen, die wir getroffen haben. Die anderen sind natürlich die Brüder von Taizé. Mit Frere Alois durfte ich heute Mittag ganz kurz sprechen und ihn aus Köln grüßen. 

domradio.de: Wenn ich mir das jetzt so vorstelle: Da kommen aus Europa ganz viele Jugendliche zusammen, im Namen von Taizé. Singen Sie immer den ganzen Tag?

Köhler: Wir singen schon sehr viel. Dreimal am Tag treffen wir uns ja zu den Gebeten, die sind vornehmlich geprägt durch den gemeinsamen Gesang. Aber wir singen natürlich auch drumherum. Wenn wir in die U-Bahn steigen, kann man mit der Gitarre schonmal ein "Feliz Navidad" anstimmen. Und dann erlebt man, dass eine spanische U-Bahn schnell auch ins Grölen und Schunkeln gerät. Also auch da machen wir Musik.

domradio.de: Und die tun Ihnen da nicht was ins Döschen und denken, Sie sind Straßenmusikanten in einer Straßenbahn?

Köhler: Das ist bisher noch nicht vorgekommen, aber wir schauen mal, was sich noch ergibt.

domradio.de: Jetzt hat ja der Schweizer Roger Schutz diese Bruderschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Und er wollte dabei helfen - Zitat - "die Zerrissenheit unter den Christen und die Konflikte in der Menschheit zu überwinden. Ist das eine Art Geist, von der Sie gerade was spüren in Valencia.

Köhler: Ja, das glaube ich schon. Als Frere Roger die Gemeinschaft von Taizé gegründet hat, ging es ihm natürlich vor allem um die Zerrissenheit durch den Zweiten Weltkrieg. Aber ich glaube, wir erleben auch in unserer heutigen Zeit ganz viel Zerrissenheit: Die Zerrissenheit in jedem Einzelnen, der manchmal ortlos ist und nicht mehr weiß, wohin er gehört. Die Zerrissenheit natürlich, in einer Gesellschaft und in einer Welt, in der es Kriege und Terror gibt. Aber eben natürlich auch die Zerrissenheit zwischen den einzelnen Konfessionen. Es ist sehr schön zu sehen, dass zum Beispiel das Unterscheidende der Konfessionen bei so einem europäischen Jugendtreffen gar keine große Rolle spielt. In meiner Gemeinde sind orthodoxe Christen, Protestanten, Katholiken vertreten, die alle gemeinsam beten und singen und sich auf den Kern der Botschaft besinnen, nämlich die Freude über die Lebendigkeit Gottes und die Nähe Gottes in unserer Welt, durch Jesus Christus, seinen Sohn.

domradio.de: Der Prior der Kommunität von Taizé, Bruder Alois, war an Weihnachten in Homs, in Syrien, und hat dort gemeinsam mit Opfern des Bürgerkrieges Weihnachten gefeiert. Er hat davon auch in einer Meditation berichtet, da waren Sie dabei. Wie war das?

Köhler: Das war schon sehr bewegend, muss ich sagen. Zum einen finde ich es ein grandioses Zeichen der Verbundenheit und Freundschaft, dass er sich nach Homs aufgemacht hat und in einem Land, das zerrissen ist vom Krieg - auch da taucht dieses Motto wieder auf - Weihnachten feiert und dass er sich auch nicht scheut, sich für dieses Zeichen einer Gefahr auszusetzen. Er hat davon berichtet, mit welcher Freude vor allem Kinder dieses Fest dort gefeiert haben. Und er hat davon erzählt, wie Jugendliche für Kinder, die ohne Eltern sind, Geschenke organisiert und verpackt haben. Damit Kinder, die so viel Unglück und Leid erlebt haben, dieses Weihnachtsfest als ein Fest der Freude begreifen. Er sagte - ich kann es nicht mehr wörtlich wiedergeben  - so viel wie bei diesem Besuch in Homs habe er selten von der ursprünglichen Botschaft des Weihnachtsfestes und des Evangeliums gespürt. 

domradio.de: Wie genau begehen Sie denn jetzt in Valencia den Jahreswechsel?

Köhler: Auf jeden Fall betend, das haben wir schon miteinander organisiert. Um 23.30 Uhr werden wir in unserer Gemeinde wieder zusammenkommen - nicht nur die Jugendlichen, die zu Gast sind, sondern auch die Gastfamilien und die Organisatoren in der Gemeinde. Wir werden beten über den Jahreswechsel hinaus. Und im Anschluss gibt es dann ein "Fest der Nationen" - einzelne Nationen bereiten etwas vor, einen Gesang, einen kurzen Tanz oder ähnliches, um am Silvesterabend beziehungsweise am Neujahrsmorgen miteinander zu feiern. Aber das Gebet um den Frieden steht im Mittelpunkt dieser Silvesternacht und das ist ein sehr kraftvolles Zeichen, um ins neue Jahr zu starten.


Quelle:
DR