domradio.de: Die Caritas ist aktiv unter anderem in Serbien, Slowenien und Kroatien. Wie ist die Situation der Flüchtlinge dort? Was brauchen sie am meisten?
Gernot Kraus (Europa-Länderreferent Caritas International): Durch diese Grenzschließung, die wir jetzt in Mazedonien zu Griechenland haben, kommt es dazu, dass immer mehr Flüchtlinge auf der sogenannten Balkanroute verbleiben. Dieser Transit ist leider mittlerweile unterbrochen. Es werden nur noch sehr wenige Flüchtlinge durchgelassen und das hat eben Auswirkungen auf die gesamte Route, die bis nach Slowenien hinaufgeht. Es werden weniger Leute auf der Route sein, aber es gibt eben die Situation, dass Flüchtlinge auf der Route verbleiben und dort versorgt werden müssen. Das kannte man vorher so nicht. Wir kennen die Bilder aus dem Fernsehen: Leute campieren massenhaft im Freien oder in Zelten. Das ist eine sehr schwierige humanitäre Situation, weil die Wetterbedingungen es kaum zu lassen, im Freien oder in Zelten zu übernachten.
domradio.de: Wie helfen Sie als Caritas International?
Kraus: Wir sind neben Griechenland vor allem in Serbien aktiv, wo gerade viele Flüchtlinge stranden. Dort helfen wir mit Nahrungsmitteln und mit warmer Kleidung. Auch in Griechenland an der Grenze zu Mazedonien sind unsere Kollegen unterwegs und verteilen Nahrungsmittel. Aber das sind nur kleine Gesten, die man tun kann. Das Grundproblem ist natürlich ein anderes; nämlich dass die Flüchtlinge festsitzen und man sie dort für längere Zeit versorgen muss – worauf im Moment aber so noch keiner vorbereitet ist.
domradio.de: Die Zahl der Flüchtlinge am griechischen Grenzübergang Idomeni nimmt weiter zu, aber auch ansonsten ist Griechenland sehr belastet. Wie hilft die Caritas in Griechenland?
Kraus: Wir helfen einmal an der Grenze, aber auch in anderen Teilen von Griechenland. Ich war vor zwei Wochen in Athen und die Caritas hat dort eine Suppenküche, wo Flüchtlinge und verarmte Griechen hingehen können. Das darf man nicht vergessen: in dem Land gibt es ja zwei Katastrophen nebeneinander; nämlich zu der Flüchtlingskrise kommt noch die schlechte wirtschaftliche Lage der Griechen. Außerdem gibt es von der Caritas eine Kleiderkammer, wo arme Menschen mit warmer Kleidung versorgt werden. Das gibt es auch auf der Insel Lesbos zum Beispiel, wo sehr viele Flüchtlinge ankommen und von der Türkei versuchen, in die EU zu kommen. Wir bieten außerdem eine Unterkunftsmöglichkeit zusammen mit der griechischen und schweizerischen Caritas an. Dort nehmen wir bedürftige Flüchtlinge auf, zum Beispiel Kranke, schwangere Frauen oder Frauen, die allein mit kleinen Kindern unterwegs sind.
domradio.de: Ein Ziel des EU-Gipfels ist offenbar, die Balkanroute zu schließen. Was würde das für die Flüchtlinge bedeuten, die bislang unterwegs sind?
Kraus: Das würde bedeuten, dass die Flüchtlinge, die bereits auf der Balkanroute unterwegs sind, dass sie dort festsitzen und versorgt werden müssen. Außerdem sehen wir jetzt schon, dass durch die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen, die auf der Route sind, diese sich in dem Land anders bewegen und zwar nicht mehr auf dem geregelten Weg. Auf der Balkanroute war das alles relativ konzentriert. Wir erwarten jetzt viel mehr kleinere, unkontrollierte Wege, die die Flüchtlinge nehmen werden, auf denen die Menschen sehr viel schwieriger zu erreichen sind. Man spricht jetzt schon davon, dass viele von den abgewiesenen Flüchtlingen auf der Route sozusagen "verschwinden" werden, weil sie nicht zurück wollen in ihre Länder oder nach Griechenland.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.