Drei Jahre Franziskus - der Papst der starken Bilder und Gesten

Daumen hoch im Kleinwagen

Seit drei Jahren steht Papst Franziskus an der Spitze der Kirche. Sein Einfluss reicht weit über die 1,2 Milliarden Katholiken hinaus - das verdankt er nicht zuletzt seiner Kommunikation durch Gesten und Bilder.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Im Fiat 500 durch New York City / © Peter Foley (dpa)
Im Fiat 500 durch New York City / © Peter Foley ( dpa )

Der Papst vom anderen Ende der Welt:

Bis ans andere Ende der Welt hätte die Kardinäle gehen müssen, um einen neuen Bischof für Rom zu finden: So ironisch begrüßt der eben gewählte Argentinier Jorge Mario Bergoglio die Gläubigen. Die ersten Worte von der Loggia des Petersdoms läuten eine neue Ära ein: Statt mit einer rhetorisch kunstvollen Ansprache tritt Franziskus nicht nur sprachlich hemdsärmelig mit dem Allerweltsgruß "Buona sera" an, sondern auch ohne den traditionellen rotsamtenen, hermelinbesetzten Schulterumhang. Das Bild des Papstes, der zögernd an die Brüstung tritt und die Menge um ihr Gebet bittet, wird buchstäblich zur Ikone: Wie der Goldgrund eines Heiligenbilds strahlt das Deckenlicht aus der Tür der Loggia.

Daumen hoch: Statt mit erhobenem Zeigefinger kommt Franziskus mit erhobenem

Daumen: An seinem ersten Osterfest überrascht er damit die Gläubigen, seither ist es eine Art päpstlicher Segensgestus. Durch die Geschichte und über Grenzen hinweg ist das Zeichen so verständlich, wie es zu einer universalen Kirche passt: Du bist okay, alles in Ordnung. Vor 2.000 Jahren signalisierten im Kolosseum Zuschauer mit dem hochgereckten Daumen, dass ein besiegter Gladiator am Leben bleiben soll. Bei Franziskus, der jedes Jahr zu Karfreitag an dem antiken Amphitheater den Kreuzweg betet, darf man die gleiche Botschaft ins Christliche gewendet mithören: Du bist gerettet, Mensch. In manchen Weltgegenden gilt die Geste als obszön, etwa im Iran. Den meisten Menschen macht der Papst damit aber eine Freude: Thumbs up!

Der Mann mit der Aktentasche:

Über Jahrhunderte hatten Päpste in der Öffentlichkeit allenfalls ihren Kreuzstab zu tragen. Eine Aktentasche - das passt nicht in das höfische Zeremoniell. Über die Bescheidenheitsgeste hinaus signalisiert Franziskus, dass er wichtige Dinge gerne persönlich in der Hand behält. Das gilt nicht nur für Rasierzeug, Brevier und Redeskripte in seinem Handgepäck, sondern auch für Entscheidungen in der Kirchenleitung.

Selig die Kleinwagenfahrer:

Wie Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog, so nutzt der Stellvertreter Christi neuerdings Minivans. Es ist das Understatement eines der letzten Souveräne der Welt. Für Franziskus geht es dabei um Glaubwürdigkeit gegenüber den Armen, Volksnähe und nicht zuletzt eine ökologische Botschaft. Auf Auslandsreisen wünscht er von seinen Gastgebern einen Kleinwagen - bevorzugt aus einheimischer Produktion, bevorzugt gebraucht: "Es tut mir weh, wenn ich einen Priester oder eine Nonne in einem nagelneuen Auto sehe", sagt er einmal. Zum Hingucker wird so die Ankunft in Washington im September 2015: Franziskus in einem Fiat 500, gefolgt von der mehreren Tonnen schweren Präsidentenlimousine - einem Panzerfahrzeug mit Nachtsichtgerät, autonomer Sauerstoffversorgung und geschätztem Verbrauch von 29 Litern auf 100 Kilometer.

Ein Papst, der an Grenzen geht:

Es ist das erste Mal, dass Papst Franziskus Rom verlässt - und dann zu einem programmatischen Ziel: Lampedusa. Bevor es die Balkanroute gab, war diese Insel zwischen Afrika und Sizilien für Zehntausende Migranten das Tor zu Europa. Ungezählte fanden dort die Pforten der Hölle. Wie viele bei der Überfahrt in klapprigen Kähnen und Schlauchbooten elend ertranken - Gott weiß es. Schätzungen gehen von 20.000 aus. Franziskus reist am 8. Juli 2013 nach Lampedusa, wirft ein Blumengebinde in die Wellen, betet. Und prangert die "Globalisierung der Gleichgültigkeit" an.

Papst ohne Panzerglas:

Früher bekamen Päpste Geschenke überreicht. Franziskus wird damit beworfen: Trikots, Blumen, Bücher, selbstgemalte Bilder. In Mexiko gesellt sich auf diese Weise ein monströses Stofftier zum Papst. Für Personenschützer sind solche Zustände ein Graus. Den Hinweis auf Anschlagsrisiken beantwortet Franziskus lapidar mit "Alles oder nichts". Seit der ersten Auslandsreise, dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro im Juli 2013, verzichtet er konsequent auf das Papamobil mit einem Aufbau aus Sicherheitsglas, denn: "Niemand kann seine Freunde in einer Glaskiste besuchen."

Grüß Gott, Gardist:

Bedienstete im Vatikan müssen sich daran gewöhnen, vom Papst wahrgenommen zu werden. So kann es passieren, dass ein salutierender Schweizergardist von Franziskus zurückgegrüßt wird. Anekdoten ranken sich um Begegnungen im Aufzug des Gästehauses Santa Marta, wo der Papst ein kleines Apartment bewohnt, oder um das Schlangestehen am Buffet. Auch mit seinem Optiker verhandelt Franziskus auf Augenhöhe: Im September 2015 begibt er sich persönlich in ein Fachgeschäft in Roms Altstadt, um die Gläser wechseln zu lassen. Das alte Gestell will er auf jeden Fall weiterverwenden: "Ich möchte nicht viel ausgeben", sagt er dem Eigentümer Alessandro Spiezia.

Unter Amtsbrüdern:

Franziskus macht Ernst mit dem Prinzip der Kollegialität, das besagt, dass die katholischen Bischöfe an der Leitungsgewalt teilhaben. Der Papst fordert dies aktiv ein, etwa in den Bischofssynoden zu Familienfragen 2014 und 2015: Dort sucht er regelmäßig das Gespräch.

Manchmal nimmt er die Bischöfe auch subtiler in die Pflicht: In seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" (Juni 2015) zitiert er aus einem umfangreichen Strauß von Veröffentlichungen verschiedenster Bischofskonferenzen, um mit deren Schriften seine Forderungen zu untermauern. Kurz nach dem Amtsantritt schiebt er eine Reform der Kirchenzentrale an und schafft neue Gremien wie den Kardinalsrat, um die Leitung effektiver zu gestalten und enger an die Basis zu binden.

Für viele Bischöfe hat der Begriff "Amtsbürde" unter Franziskus jedenfalls eine neue Dimension bekommen.

Mit dem Kopf gegen die Wand:

Ein Mediencoup im Nahost-Friedensprozess: Bei seinem Besuch in Bethlehem am 25. Mai 2014 hält Franziskus außerplanmäßig an der israelischen Sperrmauer an, geht schweigend auf den Betonwall zu, lehnt seine Stirn dagegen. Es ist die gleiche Haltung, mit der fromme Juden an der Klagemauer beten. Die Geste des Papstes wird zum Zeichen des Protestes gegen einen Konflikt, der nur Verlierer kennt. Zwei Wochen später treffen sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der damalige israelische Staatspräsident Schimon Perez zu einem Friedensgebet im Vatikan.

Ökumenischer Brückenschlag:

"Treffen sich der Papst und der Moskauer Patriarch in Havanna ..." - so hätte ein Theologenwitz anfangen können. Was völlig abwegig erschien, wurde am 12. Februar 2016 Realität: Erstmals in der Geschichte begegnen sich die beiden Kirchenführer persönlich - und ausgerechnet bei dem kommunistischen Regierungschef Raul Castro. Es ist das Ergebnis einer originellen, zugleich entschlossenen und sehr diskreten diplomatischen Initiative. Mit einem ähnlichen Meisterstück hat der Heilige Stuhl schon die Wiederannäherung Kubas und der USA im Dezember 2014 eingefädelt.

Mehrgenerationenpapst:

Die Öffentlichkeit muss sich erst daran gewöhnen, dass es zwei Päpste im Vatikan gibt. Um Benedikt XVI. ist es seit dessen Amtsverzicht im Februar 2013 stiller geworden. Aber Franziskus bezeichnet ihn, den zehn Jahre Älteren, als eine Art "weisen Großvater", auf dessen Rat er sich gerne stützt. Auch für sich selbst lässt Franziskus die Möglichkeit offen, in Ruhestand zu gehen, wenn er sich den Anforderungen des Amtes nicht mehr gewachsen fühlt.


Quelle:
KNA