domradio.de: Jeder Dritte in Sachsen-Anhalt unter 30 Jahren würde AfD wählen. Wie erklären Sie sich das?
Lisi Maier (Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend / BDKJ): Wir haben uns natürlich damit auseinandergesetzt, wie die Wahlergebnisse zustande gekommen sind. Wir bemängeln schon seit vielen Jahren, dass sich die schlechte finanzielle Ausstattung beispielsweise der zivilgesellschaftlichen Strukturen in einigen Bundesländern im Osten immer weiter fortgeführt hat und dass da auch sehr starke Kürzungen stattgefunden haben. Dies ist gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, wo das hauptsächliche Engagement ehrenamtlich stattfindet, zu beobachten. Wenn die letzten finanziellen Ressourcen gestrichen wurden, wie es in den letzten vier Jahren und darüber hinaus der Fall war, in denen es zu sehr starken Einsparungen kam, dann sehen wir schon, dass die Perspektiven, die wir in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit und auch in Bereichen der Jugendsozialarbeit geben könnten, ein Stück weit zusammengespart worden sind. Perspektiven für junge Menschen gibt es halt nicht zum Nulltarif.
domradio.de: Zusammengefasst heißt das, es ist die Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben?
Lisi Maier: Ein Stück weit ist es die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation. Ich glaube aber, dass die Problematik auch da liegt, dass wir in bestimmten Regionen Ostdeutschlands sehr schwache finanzielle Ausstattungen haben, wenn es um zivilgesellschaftliche Arbeit und Strukturen geht. Wir merken, dass es dort weniger die Chance gibt, gegen Gruppierungen am rechten Rand ordentlich dagegen zu halten. Da fehlt dann auch ein Stück weit die Manpower.
domradio.de: Sie sehen sich da ja auch in der Verantwortung. Was können Verbände wie der BDKJ tun, um diese Menschen in die Mitte der Gesellschaft zurück zu holen?
Lisi Maier: Wir sehen es ganz stark als unsere Aufgabe, dass wir auch aufsuchende Arbeit machen, sei es im Jugendsozialarbeitsbereich, auch als Jugendverbände in den Kernarbeitsfeldern Zeltlager oder Gruppenstunden. Hier müssen wir früh ansetzen, schon gute Bildungsarbeit zu machen, um den Rattenfängern nicht die Chance zu geben, ihre Propaganda bereits früh in Kinder und Jugendliche einzupflanzen. Aus unserer Perspektive ist es ganz wichtig, Bildungsarbeit und Aufklärungsarbeit zu leisten. Und die bekommt man nicht umsonst. Dafür braucht man Mittel und Ressourcen. Man sieht in Sachsen-Anhalt beispielsweise aber auch, dass bis zum 50. Lebensjahr ein Drittel der Menschen AfD gewählt hat. Da muss man sich auch überlegen, was die Jahrzehnte vorher nicht getan wurde, wo es aber wirklich wichtig gewesen wäre. Denn ich glaube, dass zivilgesellschaftliche Strukturen, so wie sie unsere liberale Demokratie zur Verfügung hält, auch die Möglichkeit bieten, gegen rechte Kräfte gemeinsam gut anzukämpfen.
Das Interview führte Verena Tröster.