domradio.de: Ist Karsamstag für Sie ein Tag der Ruhe oder ist er tatsächlich schon geprägt von den Vorbereitungen für Ostern?
Erzbischof Georg Gänswein (Präfekt des päpstlichen Hauses): Da muss ich ganz ehrlich sein und zugeben, dass Karsamstag in der Tat schon ein Tag ist, an dem die Vorbereitungen auf Ostern mächtig im Gange sind. Und insofern ist der Karsamstag für mich immer ein relativ unruhiger Arbeitstag.
domradio.de: In der Liturgie ist es ein Tag des Schweigens. Wenn Sie sagen, dass es ein unruhiger Arbeitstag ist: Heißt das, er ist geprägt von der Vorfreude oder von dem Arbeiten und Wirken?
Gänswein: Auch da will ich ganz ehrlich sein: Vormittags ist es in der Tat das Mühen um all das, was ich beruflich zu tun habe im Hinblick auf den Ostertag, was Liturgie und Audienzen betrifft. Ab dem Nachmittag beginnt dann ganz langsam der Einstieg in die Vorfreude, die natürlich dann mächtig ansteigt in der Osternachtsfeier.
domradio.de: Und Sie sind auch jetzt noch - nachdem Sie schon einige Osternächte in Ihrem Leben erlebt haben - immer noch gepackt von dieser Stimmung?
Gänswein: Ich lasse mich von der Liturgie an die Hand nehmen und bin immer wieder überrascht, welche neuen Aspekte mir die Liturgie aufzeigt, die ja jedes Jahr die gleiche ist. Es wiederholen sich die Texte, die Symbole, die Rituale, aber wir ändern uns, ich ändere mich. Und mich da hineinnehmen zu lassen in das, was die Liturgie uns schenkt - die Teilnahme an dem, was vor 2000 Jahren geschehen ist -, ist etwas Großartiges und für mich persönlich etwas sehr Bereicherndes.
domradio.de: Und wenn ich Sie richtig verstehe auch etwas ganz und gar nicht Wegzudenkendes. Ich habe von Ihnen nämlich das Zitat gefunden: Ohne dieses Ereignis, ohne Ostern, wäre das Christentum totale Fehlanzeige.
Gänswein: Das wiederhole und unterstreiche ich.
domradio.de: Vielleicht können Sie uns das nochmal beschreiben, wie die Feier der Osternacht für Sie ist: Wenn die Osterkerze in den Petersdom einzieht, wenn das Halleluja wieder gesungen wird. Können Sie das in Worte fassen?
Gänswein: Ja, es beginnt mit der Weihe der Osterkerze im Atrium des Petersdomes und dann der Einzug der Osterkerze mit dem dreimaligen Lumen Christi, also Licht Christi, im dunklen Dom. Das ist der Anfang der Osterfreude, die sich dann auch mit dem Licht und durch das Licht mehr und mehr steigert - auch durch das später dann gesungene Halleluja. Für mich ist die Liturgie Hilfe, in die Tiefe des Geheimnisses unseres Glaubens hinabzusteigen und aus dieser Tiefe zu leben. Und da ist es für mich tatsächlich jedes Jahr ein neues Erlebnis, dass ich daran teilnehme und dass ich aus dieser Teilnahme Kraft, Freude und Trost schöpfe.
domradio.de: Erzeugt das auch manchmal Gänsehaut?
Gänswein: Das ist zwischen dem ersten und dem zweiten Lumen Christi. Wenn dann langsam im Schiff des Petersdomes das Osterlicht, das heißt kleine Kerzen, verteilt und angezündet werden. Wenn es nach und nach heller wird. Das ist für mich ein ganz leicht gänsehäutiger Moment.
Das Interview führte Matthias Friebe.