domradio.de: Sie haben uns in den vergangen Tagen schon sehr viel über Karfreitag, Ostern und das Heilige Jahr erzählt. Wir möchten aber auch gerne etwas über Ihre Arbeit erfahren. Sie haben einmal gesagt, sie hätten sich den Doppeljob als Präfekt des päpstlichen Hauses und Sekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI. nicht ausgesucht. Aber nach drei Jahren ist es nun Gewohnheit geworden, oder?
Erzbischof Georg Gänswein (Präfekt des päpstlichen Hauses und Privatsekretär von Papst em. Benedikt XVI.): Gewohnheit im guten Sinne des Wortes, nicht in dem Sinne, dass es Routine geworden ist. Wenn ich nach drei Jahren nicht eine gewisse Erfahrung hätte, dann würde ich etwas falsch machen. Es ist eine Herausforderung am ersten Tag gewesen, und es ist und bleibt auch eine Herausforderung nach drei Jahren.
domradio.de: Über die Zeit des Rücktritts von Benedikt XVI. und die Wahl von Franziskus haben Sie schon in den Medien berichtet. Sie sind eigentlich manchmal müde, immer die gleichen Fragen beantworten zu müssen?
Gänswein: "Repetitio est mater studiorum" - also die Wiederholung ist die Mutter des Lernens. Manchmal ist es so, dass die Wiederholung hilft, das im Gedächtnis zu behalten, was wichtig ist. Auf der anderen Seite kann man auch zu viel des Guten sagen.
domradio.de: Dann lassen Sie mich nach Franziskus fragen. Er ist in vielen Medien ein Star. Auch nach drei Jahren hat er einen gewissen Kultstatus. Wie erklären Sie sich das? Bei Benedikt XVI. ist das Bild ja schneller umgeschlagen.
Gänswein: Wir schauen von Deutschland auf den Vatikan und auf den Papst. Es gibt andere Länder, die schauen von ihrer Seite auf den Papst. Das war bei Benedikt XVI., bei Johannes Paul II. und jetzt bei Franziskus so. In der Tat ist festzustellen, dass der mediale Erfolg - wenn man von Erfolg reden darf - von Papst Franziskus sehr groß ist. Wenn dieser mediale Erfolg tatsächlich auch zu einer Verlebendigung oder Wieder-Lebendigwerdung des Glaubens beiträgt, dann kann man ihm nur von ganzem Herzen großen medialen Erfolg wünschen. Denn darum geht es letztendlich. Es geht nicht um eine Person, die sich wie ein Rockstar in den Mittelpunkt stellt, sondern es geht darum, dass durch eine Person die Botschaft für eine andere Person, nämlich Jesus Christus, die Hauptrolle spielt. Und die soll auch die Hauptrolle bleiben.
domradio.de: Nach Ostern soll das nachsynodale Schreiben nach der Familiensynode veröffentlicht werden. Glauben Sie, das Bild von Franziskus ist nach der Veröffentlichung des Schreibens immer noch das gleiche?
Gänswein: Ich glaube nicht, dass Papst Franziskus sich darum kümmert, ob er Ansehen in Bezug auf den Inhalt gewinnt oder verliert, sondern dass er als oberster Hirte der universalen Kirche seines Amtes waltet und tatsächlich aus Überzeugung das sagt, was er als oberster Hirte der Kirche zu sagen hat.
domradio.de: Das heißt, er verspürt überhaupt keinen Druck bei diesem Thema?
Gänswein: Das hoffe ich nicht.
domradio.de: Sprechen Sie denn mit dem Papst, wenn Sie ihn im Alltag oder bei der Arbeit begleiten, auch manchmal über Deutschland? Fragt er Sie auch manchmal über Ihre Heimat und was in Deutschland so passiert?
Gänswein: Über das, was ich mit Papst Franziskus unter vier Augen spreche, möchte ich an dieser Stelle keine Auskunft geben.
domradio.de: Aber Sie können uns vielleicht sagen, ob er etwas von der deutschen Politik wahrnimmt, weil gerade hier in Deutschland die Flüchtlinge ein großes Thema sind und die liegen Papst Franziskus ja auch sehr am Herzen.
Gänswein: Das ist in der Tat so. Wenn man mit spitzen Ohren zuhört, kann man immer wieder in Predigten und Ansprachen oder zu anderen Gelegenheiten sehr wohl vernehmen, was Papst Franziskus darüber denkt. Da er darüber spricht, darf man davon ausgehen, dass er sich damit auch auseinandersetzt und dass er sich gut und gründlich informiert.
domradio.de: Das heißt, der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, der sich ja auch dem Thema verschrieben hat, ist ein guter Anwalt für den Papst in Deutschland?
Gänswein: Er ist als solcher in Rom bekannt.
domradio.de: Immer wieder wurde über einen möglichen Deutschlandbesuch des Papstes gesprochen. Zuletzt hieß es: "Vorerst nicht". Ist damit das Thema vom Tisch?
Gänswein: Ich kann Ihnen diesbezüglich keine neueren Entscheidungen mitteilen.
domradio.de: Lassen Sie uns noch auf den dritten Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus schauen. Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, es sei gelegentlich nicht ganz leicht mit ihm. Das müssen Sie uns näher erklären.
Gänswein: Das war natürlich humorvoll gemeint. Wer sich Tag für Tag um Papst Franziskus herum aufhält, der merkt natürlich, dass seine Persönlichkeit recht impulsiv ist. Er hat eine sehr lebendige Persönlichkeit. Da kann es durchaus vorkommen, dass das ein oder andere manchmal nicht so gut läuft und da muss man mit Fingerspitzengefühl und Humor - aber auch mit Entschiedenheit - eingreifen.
domradio.de: Dann müssen Sie manchmal den Terminkalender neu sortieren?
Gänswein: Der Radiergummi liegt häufig daneben, damit ich da bestimmte Dinge ändern kann. Manchmal auch in letzter Minute.
domradio.de: Muss sich der Vatikan insgesamt immer noch auf den Stil von Papst Franziskus einstellen?
Gänswein: Wenn man in Anlehnung an den Fußball das Bild vom Standbein und vom Spiel- oder Schussbein nehmen darf, dann ist das Standbein inzwischen so, dass sich alle daran gewöhnt haben. Beim Spielbein hängt es davon ab, ob man sehr nah mit ihm zusammenarbeitet oder ein bisschen weiter weg. Wer sehr nah daran ist, der muss sich tatsächlich immer an Neues gewöhnen und sich auf Neues einstellen. Aber auch das gehört zum täglichen Leben und das hält jung.
domradio.de: Schauen wir auch noch auf Papst Emeritus Benedikt XVI. Können Sie uns sagen, wie es ihm geht?
Gänswein: Papst Benedikt XVI. geht es gut. Er ist ein Mann, der geistig hellwach ist. Mit den Beinen hat er mehr und mehr Schwierigkeiten. Er bewegt sich sehr gut mit einem Rollator, aber er merkt das Alter ohne dass ihm etwas Bestimmtes wehtäte. Er ist gut beieinander und im Frieden mit sich, mit der Welt und mit dem lieben Gott.
domradio.de: Sie haben schon einmal seinen Tagesablauf beschrieben und auch die Korrespondenz, die er erledigt oder die Besuche, die er manchmal noch im Kloster Mater Ecclesia empfangen kann. Er hat sich jetzt jüngst zu Wort gemeldet und seinen Nachfolger gelobt. Passt das denn immer noch zum Vorsatz des Lebens in Abgeschiedenheit?
Gänswein: Wenn ich mich recht erinnere, dann spielen Sie auf das sogenannte Interview zu einem Symposium über die Rechtfertigung an.
domradio.de: Genau.
Gänswein: Das war nicht in Bezug auf seinen Nachfolger gemünzt, sondern dabei ging es darum, dass ihm bestimmte Fragen zur Rechtfertigung gestellt wurden und er gebeten wurde, darauf zu antworten. Wer diese Fragen und Antworten liest, der sieht, wie Papst Benedikt nach wie vor theologisch tief denkt und da kann man in der Tat einiges erkennen, dass sich dann sehr wohl auf die Person seines Nachfolgers bezieht. Aber es ging um die Frage der Rechtfertigung im Glauben.
domradio.de: Also war das sozusagen eine Verkürzung durch die Medien?
Gänswein: Ja. Es ist sehr verkürzt dargestellt worden. Ich habe es gelesen und musste mich selbst ein bisschen wundern und etwas schmunzeln. Aber man kann in der Tat einen roten Faden in Hinblick auf ein Lob für Papst Franziskus erkennen.
domradio.de: Wie hat Papst Benedikt die Ostertage gefeiert? Feierte er tatsächlich in der Gemeinschaft des Klosters Mater Ecclesia die ganzen Liturgien wie Karfreitag und die Osternacht auch selbst?
Gänswein: So ist es. Wenn ich nicht da bin, ist meist als Konzelebrant ein Mitbruder da. Papst Benedikt hat tatsächlich die Feiern so zelebriert, wie es im Messbuch im Sinne der katholischen Kirche vorgeschrieben ist.
Das Interview führte Matthias Friebe.