Ehepaar Neudeck erhält Erich-Fromm-Preis

Engagement für Menschen in Not

Erstmals geht der Erich-Fromm-Preis an ein Ehepaar: Ausgezeichnet werden Christel und Rupert Neudeck für ihr rund 40-jähriges ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge und Menschen in Not in mehr als 50 Ländern.

Christel und Rupert Neudeck / © Daniel Reinhardt (dpa)
Christel und Rupert Neudeck / © Daniel Reinhardt ( dpa )

Die Laudatio hält Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Mittwoch im Stuttgarter Neuen Schloss. Der gebürtige Danziger Neudeck hatte 1979 mit Unterstützung des Schriftstellers Heinrich Böll das Komitee "Ein Schiff für Vietnam" gegründet, aus dem 1982 das Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte hervorging. Zwischen 1979 und 1982 holte die Organisation mit dem Frachter "Cap Anamur" vor der Küste Vietnams mehr als 11.000 sogenannte "boat people" aus dem Wasser. Ohne die tatkräftige und ideenreiche Unterstützung Christel Neudecks seien die vielfältigen Hilfsprojekte nicht möglich gewesen, betonte die Fromm-Gesellschaft.

Cap Anamur und Grünhelme

Die Auszeichnung soll daran erinnern, dass Migration ebenso wie Geburt, Fortpflanzung, Krankheit und Tod zur Natur des Menschen gehöre und gleichzeitig im Sinne Fromms "jeder Mensch ein Bedürfnis nach Verwurzelung" habe. Ende 2002 gab Neudeck sein Amt als Sprecher von Cap Anamur auf.

Wenige Monate später gründete der Vater von drei Kindern die Organisation "Grünhelme", in der sich junge Handwerker verpflichten, für drei oder mehr Monate beim Aufbau von Häusern, Dörfern oder zerstörten Wasserleitungen in Krisengebieten zu helfen.

Neudeck entging als Kind auf der Flucht aus Ostpreußen nur knapp dem Untergang des Flüchtlingsschiffs "Wilhelm Gustloff", das von sowjetischen Torpedos versenkt wurde. Später studierte er Theologie, wurde kurzzeitig Novize bei den Jesuiten und promovierte über "Politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus". Dann arbeitete er als Journalist, zunächst bei der katholischen Funk-Korrespondenz in Köln, anschließend als freier Journalist und Redakteur beim Deutschlandfunk.

"Weniger Weihrauch, mehr konkrete Hilfe für Menschen in Not"

Neudeck erhielt viele Auszeichnungen, so die Theodor-Heuss-Medaille, den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis, den Erich-Kästner-Preis und den Walter-Dirks-Preis. Mit Blick auf seine Kirche sagt der Katholik, er wünsche sich weniger Sorge um Kirchbauten, "weniger Weihrauch und Selbstbeschäftigung, dafür mehr Telefonseelsorge und konkrete Hilfe für Menschen in Not. Das ist für mich die Kirche von morgen". Papst Franziskus und dessen Besuch bei den Flüchtlingen auf Lampedusa nannte er einen Glücksfall.

Der Erich-Fromm-Preis wird seit 1995 jährlich von der gleichnamigen Internationalen Gesellschaft verliehen und ist mit 10.000 Euro verbunden. Ausgezeichnet werden Personen, die mit ihrem Engagement Hervorragendes für Erhalt oder Wiedergewinnung humanistischen Denkens und Handelns im Sinne Fromms geleistet haben.

Zu den Preisträgern gehören die Journalisten Hans Leyendecker und Heribert Prantl, der Theologe Eugen Drewermann, der Liedermacher Konstantin Wecker, die Geigerin Anne-Sophie Mutter, die Politologin Gesine Schwan und Jakob von Uexküll, der den alternativen Nobelpreis stiftete.

Erich Fromm gilt als wichtiger Denker des 20. Jahrhunderts. Wissenschaftlich bedeutsam ist sein Beitrag für die empirische Sozialpsychologie. Er beeinflusste maßgeblich die Entstehung der Frankfurter Schule. Bestseller wurden seine Bücher "Die Kunst des Liebens" und "Haben oder Sein".


Quelle:
KNA