Das Gremium erwartet neue Experten und Impulse.
Organspende, Embryoadoption, Beschneidung, Sterbehilfe, Killerviren - das Themenspektrum des Deutschen Ethikrats war in den vergangenen Jahren nicht gerade klein. Einberufen durch den Bundestag beschäftigt sich das Gremium intensiv mit Fragen, deren Beantwortung den normalen gesetzgeberischen Rahmen sprengt. Die 26 Mitglieder aus Medizin, Recht, Kirchen, Naturwissenschaften, Philosophie und Ethik sind gefragt, wenn sich Fortschritt und Ethik beißen. Sie beleuchten umstrittene Wissenschaftsthemen ausführlich und vor allem kontrovers - und kommen dennoch zu Empfehlungen an die Politik, die sich in ein Gesetz gießen lassen.
Sechs Stellungnahmen hat das Gremium in den vergangenen vier Jahren vorgelegt, dazu fünf kürzere Erklärungen zu aktuellen Themen.
14 der 26 Mitglieder gehörten dem Ethikrat bislang nicht an
Seine Voten zur religiös motivierten Beschneidung und zum assistierten Suizid gaben wichtige Impulse in den jeweils erhitzten politischen Debatten und fanden Eingang in die jeweiligen gesetzlichen Regelungen. Die Amtszeit des Ethikrats läuft jetzt aus, am 28. April treffen sich die neuen Mitglieder zur konstituierenden Sitzung. Es werden viele neue Gesichter am Tisch sitzen: 14 der 26 Mitglieder gehörten dem Ethikrat bislang nicht an.
Viele Mitglieder scheiden aus, weil das Ethikrats-Gesetz nur eine einmalige Wiederwahl erlaubt. Dazu gehören die bisherige Vorsitzende Christiane Woopen und die Stellvertreter Wolf-Michael Catenhusen und Jochen Taupitz. Auch der katholische Weihbischof Anton Losinger und der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sind nicht mehr dabei. Auf evangelischer Seite bleiben Bischof Martin Hein und der Sozialethiker Peter Dabrock dem Gremium erhalten. Dabrock war ebenfalls stellvertretender Vorsitzender des Ethikrats.
Neu in das Gremium gewählt wurden nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes die Juristen Steffen Augsberg, Dagmar Coester-Waltjen und Volker Lipp, der Genetiker Wolfram Henn, die Medizinethikerin Alena Buyx, die Medizinsoziologin Adelheid Kuhlmey, der Psychologe Andreas Kruse, die Familientherapeutin Petra Thorn, die Biologinnen Sigrid Graumann und Ursula Klingmüller, die Pflegewissenschaftlerin Gabriele Meyer, die katholischen Theologen Andreas Lob-Hüdepohl und Franz-Josef Bormann sowie der Physiker und Interessenvertreter von Mukoviszidose-Patienten, Stephan Kruip.
Vielfalt im Ethikrat
Nicht nur die "Neuen" spiegeln die Vielfalt im Ethikrat, die stets kontroverse Debatten verspricht. In der Vergangenheit fand das Gremium "trotz tiefgreifender Differenzen in grundlegenden Fragen" immer zu einer Empfehlung für die Praxis, resümierte die Medizinethikerin Christiane Woopen die vergangenen vier Jahre. In manchen Punkten gab es Mehrheitsvoten, in stark umstrittenen Punkten Sondervoten - das gilt vor allem für Erklärungen der katholischen Vertreter bei Fragen um den Status künstlich erzeugter Embryonen.
Woopen wehrt sich aber gegen den Vorwurf, durch unterschiedliche Voten würde der Ethikrat keine Orientierung geben. Die Pluralität von Meinungen sei vielmehr gewünscht. "Wäre er in Fragen, die gesellschaftlich und politisch notorisch umstritten sind, einhelliger Auffassung, würde das nur bedeuten, dass er einseitig zusammengesetzt wäre", sagte sie bei der Vorstellung der letzten Stellungnahme kürzlich in Berlin.
Große Breite der Themen
Der Sozialethiker Peter Dabrock sagte dem epd, er schätze die Breite der Themen im Ethikrat und die Art und Weise, wie dieser sich in öffentliche Debatten eingemischt habe. Dabrock verwies auf die neu eingeführten "Ad-Hoc-Stellungnahmen" zu Beschneidung und Sterbehilfe, aber auch auf die Stellungnahme zur Biosicherheit, in der es um den Umgang mit Killerviren in der Forschung geht. Die Stellungnahme werde inzwischen weltweit als Referenzdokument angesehen, sagte Dabrock.
Bei großem Arbeitspensum mündete aber nicht jedes besprochene Thema der vergangenen vier Jahre in einer Position. "Wir haben das Thema Big Data und Gesundheit nicht zu einer Stellungnahme vollenden können, aber möglicherweise entscheidet sich der neue Ethikrat dazu, dieses Thema weiterzuführen", sagte Dabrock.
Woopen äußerte bei ihrem Abschied noch einen Wunsch bezüglich der Stellungnahme zur genetischen Diagnostik aus dem Jahr 2013, in der der Ethikrat gesetzgeberischen Handlungsbedarf anmahnt. Mit dem Fortschreiten der Technik seien die Empfehlungen von damals aktueller denn je, sagte Woopen. "Es wäre schön, die eine oder andere würde auch noch umgesetzt", sagte sie.