Ein Beruf gewinnt spürbar an Selbstbewusstsein. "Pflege ist das wichtigste gesundheitspolitische Thema in diesem Jahrzehnt", sagt der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus. "Wir haben eine Aufmerksamkeit wie noch nie."
Deshalb kann auch der "Internationale Tag der Pflege" auf besondere Aufmerksamkeit bauen, der am Donnerstag weltweit begangen wird. In Deutschland werben Wohlfahrtsverbände, Pflegeberufe und Krankenkassen für ausreichendes Personal in Krankenhäusern, Pflegediensten, Hospizen und Heimen, für bessere politische Rahmenbedingungen in der Pflege sowie die Entlastung pflegender Angehöriger. Die Bedeutung einer professionellen Pflege werde vielfach noch übersehen", erklärte Westerfellhaus am Mittwoch in Berlin. Sie sei aber grundlegend für Patientensicherheit und ein funktionierendes Gesundheitssystem.
"Tag der Pflege" am Geburtstag von Florence Nightingale
Der "Tag der Pflege" findet jeweils am Geburtstag von Florence Nightingale (1820 bis 1910) am 12. Mai statt: Die Tochter einer wohlhabenden britischen Familie gilt als die Pionierin der modernen Krankenpflege. Mit der Versorgung verwundeter Soldaten im Krimkrieg (1853-1856) trug sie zum Ausbau des Sanitätswesens bei.
Dass sich Kranken- und Altenpfleger mittlerweile mit starker Stimme zu Wort melden, ist schlicht dem Mangel und dem demografischen Wandel geschuldet: Vom drohenden Pflegenotstand ist die Rede. Mehr als zweieinhalb Millionen Bundesbürger sind derzeit auf Pflege angewiesen. Schätzungen zufolge könnte die Zahl bis 2030 auf rund 3,4 Millionen steigen, bis 2050 sogar auf 4,5 Millionen.
Spätestens dann wird sich ein Großteil der Deutschen mit dem Thema Pflege beschäftigen müssen. Dabei wird die Betreuung von Pflegebedürftigen in der Familie immer schwieriger: Die Zahl der Single-Haushalte wächst, Familien leben räumlich weiter auseinander. Zugleich sind immer mehr Frauen berufstätig, die bisher viel Zeit für Pflege in der Familie aufbrachten.
Altenpflege stark wachsende Dienstleistungsbranche
Auch deshalb gehört die Altenpflege zu den besonders stark wachsenden Dienstleistungsbranchen. Die Zahl aller dort Beschäftigten ist zwischen 1999 und 2013 um über 60 Prozent auf mehr als eine Million gestiegen. Doch schon heute fehlen dort 30.000 Pflegekräfte. Nach einer Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) könnte sich der Personalbedarf in der Pflege bis 2050 - im Extremfall - von heute 673.000 Vollzeitkräften auf bis zu 1,5 Millionen mehr als verdoppeln. Auch in den 2.000 Krankenhäusern werden händeringend Pflegekräfte gesucht. Zugleich könnte eine gute Pflege zu einem wichtigen Kriterium im harten Konkurrenzkampf der Kliniken werden.
Pflegeexperten betonen, dass alle Reformen wenig nützten, wenn der Pflegeberuf nicht attraktiver gemacht werde. Leidenschaftlich gestritten wird deshalb um die Reform der Pflegeausbildung und damit um eine Zusammenlegung der Berufe des Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegers gestritten.
Im Schuljahr 2013/2014 absolvierten insgesamt 133.000 Auszubildende eine der drei Pflegeausbildungen, 62.000 davon in der Altenpflege. Ziel einer gemeinsamen Ausbildung soll es sein, die Tätigkeitsfelder auszuweiten und Berufswechsel innerhalb der Branche zu ermöglichen.
Überlappende Aufgabengebiete
Dabei verweisen Befürworter darauf, dass sich die Aufgabengebiete immer stärker überlappen: Pflegekräfte im Krankenhaus müssen immer häufiger mit Demenzkranken umgehen, Pflegekräfte in Altenheimen brauchen verstärkt krankenpflegerische Kompetenzen. Kritiker befürchten eine Verflachung der Ausbildung und damit einen Qualitätsverlust.
Mehr Einfluss erhoffen sich die Pflegenden auch durch die Einrichtung von Berufskammern in den Bundesländern und durch die Gründung einer Bundespflegekammer. Der Pflegeberuf müsse sich selbst organisieren können und endlich Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen erreichen, fordern unisono Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (beide CDU) und Pflegeratspräsident Westerfellhaus. Vorreiter ist Rheinland-Pfalz, wo es seit dem 1. Januar eine Landespflegekammer gibt, die die berufsständischen Interessen der Pflegekräfte vertritt - ähnlich wie die Anwaltskammern oder die Landesärztekammern.