Bundespräsident Joachim Gauck verurteilte das kalkulierte Schüren von Angst und Hysterie. "Diejenigen, die mit Ängsten ihr politisches Süppchen kochen, um Hetze zum Normalzustand zu erklären, von denen trennen wir uns gänzlich ab", sagte Gauck bei einer Diskussion zum Thema "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?". Der Katholikentag war am Mittwochabend eröffnet worden, unter anderem erstmals mit einer Videobotschaft des Papstes.
Bei frühlingshaftem Wetter feierten laut Veranstalter 15.000 Menschen die Messe zum Fest Fronleichnam mit. Für anhaltende Diskussionen sorgt der Umgang des Treffens mit der Alternative für Deutschland (AfD). Die Organisatoren hatten keine Vertreter der Partei zu Podien eingeladen. "Wir wollen in unseren Diskussionsrunden nicht einfach nur schrille Stimmen aufeinanderprallen lassen", so der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg.
Erzbischof Koch: Katholikentag kein Parteitag
Dagegen sagte CDU-Vize Julia Klöckner, die ebenfalls dem Katholiken-Komitee angehört, gegenüber domradio.de: "Man muss sich mit der AfD auseinandersetzen, damit sie keinen Märtyrerstatus erhält." Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) plädierte in Leipzig für eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. Deren Wahlergebnisse seien ein "Alarmzeichen". Vor allem müsse es um die Ängste ihrer Anhänger gehen.
AfD-Politiker hatten in den letzten Tagen ihren Ton gegenüber den Kirchen verschärft. Die stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch prangerte auf Twitter die Haltung des Katholikentags zum Islam an. "Kritik am #Islam ist für den @katholikentag wohl haram?" Der arabische Begriff bedeutet so viel wie "unrein" oder "tabu". Der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron warf den Kirchen vor, aus finanziellem Eigeninteresse eine weitere Zuwanderung von Flüchtlingen anzustreben. Rückendeckung erhielten die Veranstalter unter anderem vom Berliner Erzbischof Heiner Koch: "Der Katholikentag ist kein Parteitag, wir wollen der AfD kein Podium zur Verbreitung ihrer Position geben."
Ramelow: Kirchenfeindlichkeit in Deutschland
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick pochte auf mehr Bildung und mehr Geld, um eine stärkere Chancengleichheit in der Gesellschaft herzustellen. So könne eine Erhöhung der Erbschaftssteuer zusammen mit anderen steuerlichen Veränderungen für mehr Mittel sorgen, die kinderreichen Familien zugutekommen sollten. Mit Blick auf die soziale Situation in Europa und weltweit sagte Schick: "Der Graben wird tiefer."
Ramelow kritisierte auf dem Katholikentag ferner eine "Renaissance von Kirchenfeindlichkeit" in Deutschland. Davon nehme er auch Tendenzen in seiner eigenen Partei nicht aus, so der Ministerpräsident. Bei mehreren Veranstaltungen mit Politikern blieben am Donnerstag viele Plätze unbesetzt. Der Katholikentag dauert bis Sonntag. Er steht unter dem Leitwort "Seht, da ist der Mensch".