Dominic Schmitz erzählt von seiner Abkehr vom Salafismus

Zurück in die Gedankenfreiheit

Er war einer von denen, die gegen "Ungläubige" predigten: Der Deutsche Dominic Schmitz war Salafist im Dunstkreis von Sven Lau und Pierre Vogel. Doch Schmitz entscheidet sich für eine Rückkehr in die Gesellschaft.

Autor/in:
Annette Lübbers
Aussteiger Dominic Schmitz (epd)
Aussteiger Dominic Schmitz / ( epd )

Dominic Schmitz spielt zum ersten Mal in seinem Leben Theater. Er steht seit Februar auf der Bühne des Kölner Schauspielhauses. Das Stück des Regisseurs Nuran David Calis heißt "Glaubenskämpfer". Seine Rolle ist dem jungen Mann aus Mönchengladbach auf den Leib geschrieben. Noch vor wenigen Jahren befand er sich nämlich selbst im "Krieg". Der ehemalige überzeugte Salafist missionierte für seinen muslimischen Glauben und hetzte gegen die "Ungläubigen".

Damit war Schmitz einer von bundesweit etwa 8.650 Menschen, die die Bundesregierung aktuell dieser radikalen Gruppierung des Islam zurechnet. Eine Zahl, die stetig steigt: 2011 waren es 3.800, zwei  Jahre später 5.500. Etwa 30 Prozent der Salafisten wohnen demnach in Nordrhein-Westfalen. Etwa zehn Prozent von ihnen sind - in NRW und im Bundesschnitt - Konvertiten mit deutschen Wurzeln. Wie der einstmals katholische Junge vom Niederrhein, der sich dann Musa Almani nennt.

Mit Turban durch Mönchengladbach

Vor elf Jahren ging Schmitz noch im weißen wallenden Gewand, mit Bart und Gebetskappe oder Turban durch die Straßen seiner Heimatstadt Mönchengladbach. Damals glaubte er noch, "dass der schlechteste
Muslim immer noch besser sei als der beste Ungläubige". In den Strudel der Salafisten geriet Schmitz mit 17 Jahren - durch einen muslimischen Freund, der nach einem Urlaub in Marokko als Strenggläubiger zurückkam. "Er hatte etwas an sich, das mich nicht mehr losließ", erinnert sich Schmitz. In Gesprächen sei der Freund immer wieder auf den Glauben zurückgekommen und dass er sich unendlich glücklich fühle, den einzig waren Herrn gefunden zu haben.

Der Freund hinterließ Eindruck, da er weg war "von den Drogen, vom Alkohol, vom Partyleben, von der Abzieherei hin zu einem gottgefälligen Leben". Auch die anderen Salafisten, die der junge Deutsche kennenlernte, prägten ihn. "Die redeten von Gott, als würden sie abends mit ihm Teetrinken. Sie kamen mir erleuchtet vor, und das wollte ich auch sein. Wissen wollte ich nicht - nur glauben."

Vorbild Pierre Vogel

Zu seinen neuen Wegbegleitern und Vorbildern zählten Menschen wie Sven Lau und Pierre Vogel, beide ebenfalls Konvertiten und extremistische Prediger. Lau muss sich demnächst vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Auftritten einer selbst ernannten "Scharia-Polizei" in Wuppertal verantworten. Zudem ist er wegen Unterstützung einer Terrororganisation in Syrien angeklagt.

Schmitz sagt rückblickend, er habe ein Leben führen wollen, wie der Religionsstifter Mohammed es gelebt haben soll: spartanisch, enthaltsam, freigebig. Der junge Mann ging auf Pilgerfahrt nach Mekka, missionierte auf der Straße und auf der Videoplattform YouTube, teilte die Welt in Schwarz und Weiß, heiratete eine Muslima, die er nicht liebte. Doch die Zweifel wuchsen.

Einsam und unsicher

Er habe irgendwann gespürt, auf welch tönernen Füßen diese einfachen Argumentationsketten standen, sagt der heute 28-Jährige. Aber damals sei er einsam gewesen und schnell zu begeistern, schwach und unsicher. "Wenn ich damals einem Juden begegnet wäre, wäre ich Jude geworden. Und wenn es ein Scientologe gewesen wäre, wäre ich Scientologe geworden."

Zwei Dinge hätten ihn zurück in diese Gesellschaft geführt, sagt Schmitz. Zum einen die Ablehnung von Gewalt. Er habe nicht in die gleiche Ecke gestellt werden wollen wie die IS-Kämpfer, die im Namen Allahs Menschen versklaven und hinrichten. Zum anderen war es die persönliche Freiheit und die Freiheit der Gedanken, die er zunehmend vermisste.

Aussteiger sind selten 

Dominic Schmitz alias Musa Almani gibt seinen muslimischen Glauben nicht auf, aber seine extreme Gesinnung. In seinem Buch "Ich war ein Salafist" beschreibt er seinen Weg zum Salafismus und seine Abkehr
davon. Auf seinem YouTube-Kanal "MusaAlmani" muss er sich dafür heute etwa als Heuchler und "Supermarktmuslim" beschimpfen lassen.

Noch sind Aussteiger aus der Salafisten-Szene eine Seltenheit. Zumal solche, die sich wie Schmitz aus eigener Kraft aus einem extremistischen Netzwerk lösen. Der Verfassungsschutz hat deshalb in NRW das Aussteigerprogramm "Wegweiser" für Islamisten installiert. Derzeit werden in diesem Programm 30 Männer intensiv betreut.

"Mit 30 weiteren stehen die Betreuer in Kontakt", erklärt Jörg Rademacher. Der Sprecher des NRW-Verfassungsschutzes hofft, dass "Wegweiser" bald ähnlich erfolgreich wirkt wie das Programm für
Aussteiger aus der rechten Szene. "Mehr als 90 Prozent der Betreuten werden danach nicht mehr straffällig. Wenn das bei den islamistischen Aussteigern auch gelingt, dann ist das ein Erfolg", betont er. "Für sie und für uns als Gesellschaft."


Quelle:
epd