Spätestens mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem Entstehen neuer Nationalstaaten auf dem Balkan erkannten führende Vertreter der Orthodoxie die Gefahr eines zunehmenden Nationalismus auch innerhalb der Kirche. So berief schon 1872 das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel eine Synode ein, bei der die nationalen Rivalitäten zwischen den einzelnen Landeskirchen zwar deutlich kritisiert wurden.
Es blieb jedoch vorerst beim Appell zur Einheit der Orthodoxie. 1902 machte der Ökumenische Patriarch Joakim III. (1878-1884, 1901-1912) einen neuen Anlauf und rief in einem Schreiben an die Oberhäupter aller eigenständigen (autokephalen) orthodoxen Kirchen zu mehr Kooperation auf. Die mehrheitlich positiven Rückmeldungen führten zum Plan, einen panorthodoxen Theologenkongress einzurichten, der regelmäßig alle drei Jahre tagen und wichtige Fragen behandeln sollte. Zur Gründung des Kongresses kam es jedoch nie.
Kriege verhinderten Zusammenkünfte
Durch die Balkankriege (1912/13), den Ersten Weltkrieg (1914-1918) die russische Oktoberrevolution (1917) und den Griechisch-Türkischen Krieg (1919/20) war eine panorthodoxe Zusammenkunft unmöglich.
Entweder standen die Heimatländer der einzelnen Kirchen gegeneinander im Krieg, oder die Kirchen waren aufgrund innerer politischer Prozesse wie im Fall Russlands handlungsunfähig. Ein neuerliches Schreiben von Patriarch Joakim an alle Kirchenoberhäupter 1920 blieb wirkungslos. 1923 lud sein Nachfolger Meletios IV. (1921-1923) die orthodoxen Kirchenoberhäupter zu einem panorthodoxen Kongress nach Istanbul ein.
Zwar kamen nicht alle; trotzdem konnten einige wichtige Themen besprochen werden. Deutlich wurde auch die Notwendigkeit eines echten Panorthodoxen Konzils, das verbindliche Entscheidungen für die gesamte Orthodoxie treffen könnte.
Spannungen zwischen den Kirchen
Gregorios VII. (1923-1924) berief ein solches Konzil deshalb auch für Pfingsten 1925 nach Istanbul ein. Es wurde später auf 1926 und auf den Berg Athos verschoben und schließlich ganz abgesagt. Spannungen zwischen den Kirchen machten ein solches Treffen unmöglich. Es folgten zwar noch eine informelle Zusammenkunft von Vertretern orthodoxer Kirchen 1932 auf dem Berg Athos, eine geplante, aber abgesagte Prosynode im selben Jahr in Istanbul und ein Theologenkongress 1936 in Athen - freilich ohne einem Konzil tatsächlich einen wesentlichen Schritt näherzukommen. Der Zweite Weltkrieg und der darauffolgende Kalte Krieg und die Spaltung Europas machten alle weiteren Pläne für ein Konzil illusorisch.
Erst in den 60er Jahren gab es neue Bewegung: 1961, 1963 und 1965 fanden auf Rhodos panorthodoxe Konferenzen statt. 1968 folgte eine weitere in Chambesy bei Genf. Dort wurden kirchliche und ethische Fragen besprochen, aber auch die Teilnahme der Orthodoxie an ökumenischen Foren wie dem Weltkirchenrat fixiert. Ab 1971 fand schließlich eine Reihe interorthodoxer Tagungen statt, die ein Konzil vorbereiten sollten. Dort kristallisierten sich schon jene Themen heraus, die auch jetzt auf Kreta behandelt werden.
Überraschende Nachricht
Mit dem Ende der Sowjetunion, der Entstehung neuer Staaten in Mittel- und Osteuropa sowie neuen Spannungen zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und dem Moskauer Patriarchat schien ein Panorthodoxes Konzil wieder in weite Ferne zu rücken. Umso überraschender war dann die Nachricht, dass sich die orthodoxen Kirchenoberhäupter bei einer Zusammenkunft (Synaxis) im März 2014 in Chambesy auf die Abhaltung eines Konzils 2016 in Istanbul einigten.
Eine Vorbereitungskommission erstellte bei mehreren Treffen den Themenkatalog. Zehn Konzilsvorlagen (Schemata), im Wesentlichen basierend auf Vorlagen aus den 1970er Jahren, wurden vorbereitet. Schließlich blieben sechs Dokumente für die Behandlung beim Konzil übrig; sie wurden bei einer Synaxis Ende Januar in Chambesy beschlossen. Die anderen vier waren zu umstritten - und werden vorerst nicht behandelt. Statt auf Istanbul einigte man sich auf Kreta als Austragungsort.