KNA: Herr Lomidze, das orthodoxe Konzil auf Kreta geht zuende. Eingeladen waren alle 14 orthodoxen Kirchen - vier sind nicht gekommen, darunter die georgische. War das eine gute Idee?
Lomidze: Natürlich nicht. Die georgisch-orthodoxe Kirche hätte teilnehmen sollen und unter Mitbrüdern ihre Positionen zu den Dokumenten äußern können, die auf dem Konzil zur Abstimmung standen.
KNA: Sie stellen Ihrer Kirche kein gutes Zeugnis aus.
Lomidze: Die georgisch-orthodoxe Kirche hat sich mit ihrer Nichtteilnahme an dem Konzil - hoffentlich nur unbewusst - in eine isolierte Stellung gebracht. Das kann nur negative Konsequenzen haben. Und das deutet sich leider bereits in den Kommentaren aus den anderen orthodoxen Kirchen an.
KNA: Dieses Konzil ist, je nach Zählung, die erste Versammlung dieser Art seit über tausend Jahren - wie hat sich die georgische Kirche in der Vergangenheit positioniert?
Lomidze: Wenn man die sieben bekannten Ökumenischen Konzile im ersten Jahrtausend betrachtet, zeigt sich, dass die georgisch-orthodoxe Kirche an keinem dieser Treffen teilgenommen hat.
KNA: Widerstand als Tradition?
Lomidze: Nicht ganz. Tatsächlich hat die Kirche Georgiens alle Beschlüsse, die auf diesen Konzilen verabschiedet wurden, angenommen und bis heute rezipiert. Meines Erachtens geschah dies nicht so sehr aufgrund einer eigenen theologische Auseinandersetzung, sondern weil diese Ökumenischen Konzile auf dem Gebiet des Imperium Romanum stattfanden, zu dem sich die Georgier zugehörig fühlten.
KNA: Das römische Imperium ist nun schon länger Geschichte...
Lomidze: Das Rezeptionsschicksal der auf Kreta verabschiedeten Dokumente hängt davon ab, wohin die georgisch-orthodoxe Kirche in der Zukunft tendieren wird. Somit lautet heute die Gretchenfrage: Wird sich die georgisch-orthodoxe Kirche in der Zukunft mehr an Russland orientieren - die russisch-orthodoxe Kirche nahm ja auch nicht am Konzil teil - oder eher an Konstantinopel und damit am christlichen Westen?
KNA: Blicken wir kurz auf die theologischen Inhalte des Konzils - wie würden Sie die Diskussionen einem Nicht-Orthodoxen erklären?
Lomidze: Auf dem Konzil haben die Kirchen über aktuelle Herausforderungen beraten. Zusammengefasst ging es darum, wie sich die Orthodoxie in der heutigen Zeit in Seelsorge und Kirchenlehre aufstellt, um bei den Menschen Gehör zu finden. Das ist ein bisschen so wie beim Zweiten Vatikanischen Konzil...
KNA: ...der bislang letzten großen beschlussfassenden Versammlung aller katholischen Bischöfe in den Jahren 1962 bis 1965.
Lomidze: Damals hat man zum Beispiel das Welt-Kirche-Verhältnis neu bedacht, was sich in der Pastoralkonstitution niedergeschlagen hat.
Auf Kreta ging es um ähnliche Themen wie etwa das gemeinsame Engagement der Kirche für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und gegen Diskriminierung aller Art, Fragen der Eheschließung und Ehehindernisse, die Haltung der Orthodoxie zur Ökumene und Debatten über den Sinn und die Praxis des Fastens.
KNA: Welche politische Kraft können oder sollen die orthodoxen Kirchen entfalten mit Blick auf die Konflikte in ihren Regionen - und hat das orthodoxe Konzil dazu neue Impulse setzen können?
Lomidze: Das Konzil ist in erster Linie eine Zusammenkunft der Bischöfe, um innerkirchliche Fragen zu klären. Politische Entscheidungen gehören nicht dazu, wobei die Erwartungen dafür von verschiedenen Seiten vor der Synode auf Kreta groß waren.
KNA: Wie geht es nun nach Kreta weiter?
Lomidze: Selbstverständlich wird die Versammlung auf Kreta sowohl bei orthodoxe Christen als auch in der gesamten Christenheit positive Impulse setzen. Es kommt jetzt vor allem, wie schon angedeutet, auf die Rezeption der Synodenbeschlüsse von den anwesenden, aber auch abwesenden Kirchen an. Dann wird sich zeigen, ob das Konzil erfolgreich beziehungsweise im kirchenhistorischen Vergleich prägend war oder nicht. Dieser Grundsatz galt übrigens schon in der Alten Kirche.