Beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz in Rom sprach er weiter von einem "abscheulichen Terrorangriff". Franziskus fuhr fort: "Der Herr möge die Herzen der Gewalttäter bekehren und unsere Schritte auf dem Weg des Friedens lenken." Anschließend rief er zu einer Schweigeminute auf und sprach ein Ave Maria.
Auch der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, hat den Terroranschlag in Istanbul als "barbarischen Akt der Gewalt" verurteilt. Christen und Muslime seien aufgerufen, sich gemeinsam jeglichen Verbrechen entgegen zu stellen, die unter missbräuchlicher Berufung auf Gott begangen würden, sagte Schick am Mittwoch in Würzburg. Zentral sei der Dialog: "Im Dialog entwickeln sich Frieden und Liebe."
Kampfansage der Türkei
In der Türkei ließ unterdessen die Kampfansage an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die Türkei werde die Samthandschuhe ausziehen, kündigte Präsident Recep Tayyip Erdogan vor einem Vierteljahr an - und mit der "Eisenfaust auf die Köpfe der Terroristen" einschlagen. Doch die Terroristen schlagen zurück - mit Bomben in türkischen Metropolen, die in immer schnellerem Takt detonieren. Die Gewalt beim Nato-Partner eskaliert in einem atemberaubendem Tempo. Mit dem Angriff eines Selbstmordkommandos auf den Atatürk-Flughafen in Istanbul hat der Terror in der Türkei eine neue Dimension erreicht.
Dabei gab es unmittelbar vor dem Angriff ausnahmsweise mal gute Nachrichten aus der Türkei. Nach Monaten der Krise nähern sich Ankara und Moskau wieder an. Mit Israel söhnt sich die Türkei nach jahrelanger Eiszeit aus. Doch die Gewalt holte die Türken in der Nacht zu Mittwoch unerbittlich wieder ein.
Kurdenkonflikt weitet sich aus
Schon seit vergangenem Sommer weitet sich der Kurdenkonflikt im Südosten stetig zu einem neuen Bürgerkrieg aus. Für Türken und Ausländer in den Metropolen schien das weit weg, bis die Gewalt auch nach Istanbul und Ankara übergriff. Zugleich verschärfte die Türkei ihren Kurs gegenüber der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) - nachdem Erdogan lange vorgeworfen worden war, extremistische Gruppen wie den IS in Syrien mindestens durch aktives Wegschauen gefördert zu haben.
Die blutige Terrorbilanz nur aus Istanbul und Ankara seit vergangenem Herbst: Weit über 200 Tote, darunter auch zwölf deutsche Urlauber, die ein IS-Selbstmordattentäter im Januar in Istanbuls Altstadt mit in den Tod riss. Der Terrorangriff auf den Atatürk-Airport mit Dutzenden Opfern markiert den vierten schweren Anschlag in Istanbul seit Jahresbeginn - und den zweiten in dem für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan.
Bombenserie in der Stadt
Erst vor drei Wochen detonierte eine Autobombe in der Altstadt, wozu sich die TAK bekannte, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diesmal richtet sich der Verdacht auf den IS: Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagt bei einem Besuch am Atatürk-Flughafen am frühen Mittwochmorgen, Hinweise deuteten darauf hin, dass die Terrormiliz für das Massaker verantwortlich sei.
Der Flughafen ist ein symbolträchtiges Ziel und wirtschaftlich von hoher Bedeutung für die Türkei, die sowieso schon schwer unter dem Einbruch der Touristenzahlen leidet - spätestens jetzt dürfte die Saison endgültig abgeschrieben sein. Der größte Flughafen des Landes fertigt in etwa so viele Passagiere ab wie Frankfurt/Main und wächst dabei viel schneller als die deutsche Konkurrenz. Der Airport trägt den stolzen Namen des Staatsgründers und ist Sinnbild für den wirtschaftlichen Aufschwung der Türkei.
Nachrichtensperre verhängt
Erdogan bemüht sich seit Monaten darum, den Eindruck zu vermitteln, der Anti-Terror-Kampf der Türkei sei erfolgreich, wozu das jüngste Blutbad nicht so recht passen mag. Der übliche türkische Reflex nach schweren Anschlägen greift auch dieses Mal: Eine Nachrichtensperre wird verhängt. Nach dem Terrorangriff scheint für die Regierung die Devise zu gelten, schnellstmöglich zurück zur Normalität zu kehren - und sei es erstmal nur beim Flugbetrieb.
Während es nach den Anschlägen von Brüssel vom März knapp zwei Wochen dauert, bis der Flughafen wieder für den Passagierverkehr geöffnet wurde, vergeht in Istanbul nicht einmal ein Tag. Gut fünf Stunden nach dem Angriff verkündet Yildirim: "Unser Flughafen ist seit 02:20 Uhr für Flüge und Abflüge geöffnet und der Flugverkehr hat sich normalisiert." Eine gewagte Interpretation angesichts von 340 Istanbul-Flügen, die alleine Turkish Airlines am Mittwoch strich.
Yildirim verstieg sich nur Stunden nach dem Blutbad außerdem zu der Aussage: "Eines steht fest, weder im Abflug- noch im Ankunftsbereich am Flughafen kann von einer Sicherheitslücke die Rede sein." Die zumindest vorläufige offizielle Linie: Drei Selbstmordattentäter fahren per Taxi zum Flughafen. Einer sprengt sich im Parkhaus in die Luft, der zweite außerhalb des internationalen Ankunftsbereichs. Der dritte Angreifer wird an der Sicherheitsschleuse am Eingang des Ankunftsterminals angeschossen und zündet seine Sprengstoffweste.
Nach dieser Version ist kein Terrorist am Sicherheitspersonal vorbeigekommen. Doch Augenzeugenberichte sowie Beobachtungen von Reportern und Airport-Mitarbeitern nach der Tat deuten darauf hin, dass mindestens einem Angreifer das doch gelang.
Video vom Check-In-Bereich
Im Internet kursiert ein nicht überprüfbares Video, das zu zeigen scheint, wie nach der Sicherheitsschleuse im Check-In-Bereich - einen Stock über der Ankunftsebene - panische Passagiere fliehen. Dann läuft ein schwarz gekleideter Mann ins Bild. Er wird anscheinend angeschossen und fällt, ein Gegenstand - vermutlich eine Waffe - entgleitet ihm und schlittert über den Boden. Nach wenigen Sekunden geht von dem Mann eine heftige Explosion aus. Er scheint sich buchstäblich aufzulösen.
Einen Angreifer in schwarz mit einer automatischen Waffe hat auch der Südafrikaner Paul Roos gesehen, der den Angriff miterlebt hat. Eigentlich will der 77-Jährige mit seiner Ehefrau Susie (69) nach einem Segelurlaub zurück nach Kapstadt fliegen. Roos sagt, er und seine Frau seien gerade die Rolltreppe von der Ankunfts- zur Abflugsebene hochgefahren, um einzuchecken. Dann bricht Chaos aus.
Anschläge schüren Angst
"Wir haben Schüsse gehört und uns in einer Ecke versteckt", sagt Roos. "Meine Frau hat die Hände vors Gesicht gehalten, aber ich habe geschaut, was passiert. Ich habe einen schwarz gekleideten Mann gesehen, der etwa 50 Meter von uns entfernt herumgeschossen hat. Leute kamen uns in Panik entgegen gerannt. Nach kurzer Zeit haben wir zwei Explosionen gehört." Das ganze Gebäude sei erschüttert worden.
Ob es eine Sicherheitslücke gab oder nicht: Vor allem westliche Ausländer in Istanbul misstrauen den markigen Versprechen der Regierung, dass sie den Terror besiegen wird. Die Anschläge sorgen für dauerhafte Angst - die von der Gewissheit geschürt wird, dass der Terror jeden überall treffen kann. Je stärker diese Angst Istanbuls Charme überschattet, desto mehr Westler kehren der einstigen Kulturhauptstadt Europas den Rücken.