Das Oberhaupt der katholischen Kirche sagte an die Veranstalter und Teilnehmer des in München stattfindenden Kongresses der Initiative "Miteinander in Europa" gerichtet, es sei Zeit, sich zusammenzutun, "um mit wahrhaft europäischem Geist die Problematik unserer Zeit anzugehen". Vielleicht habe es noch nie eine solche Notwendigkeit gegeben, zusammenzustehen und solidarisch zu handeln, ergänzte Bartholomaios. Das gelte sowohl in Europa als auch auf globaler Ebene.
Nach den Worten des Papstes würden zunehmend außer einigen sichtbaren Mauern auch die unsichtbaren stärker, die diesen Kontinent zu spalten drohten. Dabei handele es sich um Mauern, die in den Herzen der Menschen errichtet würden: "Mauern aus Angst und Aggressivität, fehlendem Verständnis für die Menschen anderer Herkunft oder religiöser Überzeugung". Dazu kämen Mauern aus politischem und wirtschaftlichem Egoismus ohne Achtung vor dem Leben und der Würde eines jeden Menschen, so Franziskus.
Komplexe Welt
Europa finde sich in einer komplexen Welt vor, die ständig in Bewegung, immer mehr globalisiert und von daher immer weniger eurozentrisch sei, gab der Papst zu bedenken. Wenn diese epochale Problematik erkannt werde, "müssen wir den Mut haben zu sagen: Wir brauchen Veränderung". Europa sei aufgerufen, zu reflektieren und sich zu fragen, ob sein enormes, vom Christentum geprägtes Erbe in ein Museum gehöre oder noch fähig sei, die Kultur zu inspirieren und seine Schätze der ganzen Menschheit zu schenken.
Bartholomäus I. betonte, die Welt stehe vor beispiellosen Herausforderungen, "die uns zwingen, vereint zu sein, zusammenzuarbeiten und einander zu unterstützen". Dabei erinnerte er an seinen Vorgänger Patriarch Athenagoras. Dieser habe bei Schwierigkeiten immer dazu geraten: "Komm, schauen wir einander in die Augen!" Denn in den Augen der Brüder und Schwester sei die Herrlichkeit Gottes zu sehen.
"Miteinander für Europa"
Der Kongress des Netzwerks "Miteinander für Europa" geht am Samstagabend mit einer dauernden Kundgebung in der Münchner Innenstadt zu Ende. Die Initiative entstand nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre. In dem Dokument erklärten die katholische Kirche und der Lutherische Weltbund 1999 nach jahrelangen theologischen Debatten in Augsburg, dass eine der zentralen Lehraussagen der Reformatoren heute keine Kirchentrennung mehr begründen kann. Inzwischen haben sich weitere Konfessionen dem Konsens angeschlossen.