Konrad-Adenauer-Stiftung zur neuen britischen Premierministerin

"Harte Verhandlungsführerin"

"Brexit bleibt Brexit" - sagt die designierte britische Premierministerin Theresa May, die diese Woche das Amt von David Cameron übernehmen soll. Doch welche Attribute spricht man der Pfarrerstochter poltisch noch zu?

Ehemalige Premierministerin Theresa May / © Will Oliver (dpa)
Ehemalige Premierministerin Theresa May / © Will Oliver ( dpa )

domradio.de: Theresa May musste keinen Wahlkampf führen. Am Montag hat sie den Finger gehoben und jetzt wird sie quasi kampflos das Amt von Premierminister David Cameron übernehmen. Was bedeutet das?

Hans-Hartwig Blomeier (Leiter des London-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung): Ganz kampflos war es nicht. Es gab zunächst fünf Kandidaten, die ihren Namen bei der Konservativen Partei ins Feld geführt haben, die sich anfangs in einem fraktionsinternen Ausscheidungsrennen durchsetzen mussten. Da blieben am Ende zwei von übrig. Theoretisch hätte es dann zwischen den beiden, Theresa May und der Energiestaatssekretärin Andrea Leadsom, zu einer Wahl bei den Parteimitgliedern kommen müssen. Allerdings hat Andrea Leadsom gestern etwas überraschend ihren Rücktritt erklärt.

Sie ordnet sich damit in eine Reihe von Rücktritten ein, die wir in Großbritannien in den letzten 14 Tagen erlebt haben. Damit war in der Tat der Weg für Theresa May frei, ohne sich einer Abstimmung innerhalb der Partei stellen zu müssen. So ist es halt gelaufen.

domradio.de: Theresa May ist genau wie Angela Merkel Pfarrerstochter. Merkt man das ihrer Politik an?

Blomeier: Man kann in alles irgendetwas hineininterpretieren. In dem Fall würde ich ein bisschen zurückhaltend sein. Dass sie aus einem Elternhaus kommt, in dem Prinzipien und bestimmte Moralvorstellungen galten, merkt man ihrer bisherigen politischen Laufbahn und ihren politischen Entscheidungen durchaus an. Dass man es nur darauf zurückführt, dass der Vater Pastor war, geht vielleicht ein wenig zu weit. Aber sie ist jemand, der wohl nicht so sehr dogmatisch und ideologisch entscheidet, sondern eher nach gewissen moralischen Prinzipien und Grundsätzen.

domradio.de: Kann man Theresa May denn politisch in eine Ecke stellen? Einerseits fordert sie mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Frauen in Führungsämtern, andererseits sagt sie aber auch, syrische Flüchtlinge nach Europa zu holen sei ein Fehler.

Blomeier: Es ist schwierig, sie in eine Ecke zu stellen. Ich denke, sie deckt mit den beiden Äußerungen, die Sie zitiert haben, in gewisser Weise das Gesamtspektrum innerhalb der Konservativen Partei ab, die durchaus auch eine liberale Grundströmung hat. Sie hat vor einigen Jahren auf einem Parteitag den Begriff der "nasty party", der wenig symphytischen Partei, die sich nicht um die kleinen Leute kümmert, geprägt und das auch angemahnt.

Insofern ist das durchaus richtig und konsequent, dass sie jetzt in ihrer Antrittsrede gleich dort anfängt und diesen Aspekt wieder aufgreift. Auf der anderen Seite hat sie als Innenministerin eine ganz harte Linie in der Flüchtlingspolitik vertreten. Die ging sogar manchen Konservativen in ihrer eigenen Partei zu weit.

domradio.de: Auch Angela Merkel wird mit ihrer Flüchtlingspolitik kritisiert.  Kann man denn absehen, wie das Miteinander der beiden starken Frauen in Europa sein wird?

Blomeier: Theresa May gilt als harte Verhandlungsführerin. Da wird man sich sicherlich auf spannende und intensive Verhandlungen vorbereiten müssen. Wie die beiden Damen dann persönlich miteinander klarkommen, ist jetzt zu früh zu prognostizieren. Da sollte man beiden auch die Gelegenheit geben, sich entsprechend kennenzulernen.

Ich denke aber, dass vom Naturell des eher ruhigen und weniger auf Schaulaufen ausgerichteten Typs von Theresa May, sie von dieser Grundhaltung her durchaus mit Angela Merkel gut zurechtkommen kann. Es stehen allerdings sehr schwierige Verhandlungen an, wo die Positionen sehr weit auseinanderliegen. Da muss man kein Prophet sein, wenn man prognostiziert, dass das wirklich schwierig wird.

domradio.de: Etwas, was sehr schwierig wird, ist die Umsetzung des "Brexit", den Theresa May eigentlich nicht wollte. Jetzt aber muss sie diesen Vorgang durchziehen und sagt auch, sie werde das machen. Das wird kein Zuckerschlecken, oder?

Blomeier: Zunächst muss man sehen, dass bei aller Aufregung, die überall in Europa über diese Entscheidung herrschte, inzwischen die Stimmung in Großbritannien - wenn man von den durchaus beeindruckenden Demonstrationen absieht - insgesamt doch so ist, dass man sagt, man habe die Entscheidung getroffen. Ob die rechtlich bindend ist oder nicht, spielt im Grunde keine Rolle mehr. Diese Entscheidung wird respektiert und deswegen kommt der "Brexit" auch.

Die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen? Da gibt es noch gewisse Maximalforderungen, die in dieser Kombination sicherlich nicht zu erreichen sind: Nämlich einerseits kompletten und ungehinderten Zugang zum gemeinsamen Markt, einschließlich Finanzdienstleistungen und zum anderen das Aufheben der Personenfreizügigkeit. Diese Forderung von britischer Seite ist nicht zu erfüllen. Das weiß man im Grunde auch. Deswegen wird es in den Verhandlungen darauf ankommen, welche diese Variablen man bis zu welchem Grad bewegen kann. Die Abstimmung zum "Brexit" war ja in erster Linie auf das Migrationsthema gerichtet.

Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Theresa May in die Verhandlungen geht und sagt, das Migrationsthema sei nicht ganz so wichtig, Hauptsache sei der Zugang zu freiem Markt und deswegen nehme man Freizügigkeit gerne hin. Von daher ist ein wenig die Quadratur des Kreises. Ich bin selber auch gespannt, wo man sich am Ende findet und welche Lösung man dann für beide Seiten einvernehmlich finden kann.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Hans-Hartwig Blomeier  / © privat
Hans-Hartwig Blomeier / © privat
Quelle:
DR