Die Vatikanbotschaft in Ankara befinde sich "im Stillstand", sagte ein Kirchendiplomat, der nicht namentlich genannt werden wollte. Auf die Frage, ob es nach der Niederschlagung des Putschs zu einer weiteren Islamisierung kommen werde, sagte der Vatikanmitarbeiter gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Wir hoffen es nicht."
Das vatikanische Staatssekretariat in Rom und die Nuntiatur in Ankara stünden in engem Austausch, hieß es weiter. Die angebliche Verurteilung des Putschs durch den orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I., den Leiter des türkischen Religionsamts Mehmet Görmez und den türkischen Oberrabbiner Ishak Haleva wollte der Vatikandiplomat nicht kommentieren.
Erklärung der Spitzenvertreter der Religionsgemeinschaften
Türkische Medien hatten am Samstag eine Erklärung verbreitet, in der die Spitzenvertreter der Religionsgemeinschaften in der Türkei ihre Trauer bekundeten "über die terroristischen Angriffe, die den Frieden unserer großen Nation und der Welt stören sollten". Der griechisch-orthodoxe Metropolit von Österreich, Arsenios, stellte dazu nach Rücksprache mit Bartholomaios I. klar, die Erklärung sei bereits am Donnerstag unterzeichnet worden, also vor dem Putsch, und richte sich generell gegen Terrorismus.
Im Unterschied zur Orthodoxie ist die katholische Kirche in der Türkei nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Nach vatikanischen Angaben leben in der Türkei rund 46.000 Katholiken unter 79 Millionen Einwohnern.
Türkische Botschaft weist Besorgnis zurück
Die türkische Botschaft beim Heiligen Stuhl hat unterdessen jede Besorgnis hinsichtlich der Minderheitenrechte und der Religionsfreiheit in der Türkei als grundlos zurückgewiesen. Weder gebe es Probleme für die Katholiken im Land, noch habe das vatikanische Staatssekretariat bislang einen Gesprächswunsch nach der Niederschlagung des Putschversuchs geäußert, sagte der Kanzler der Botschaft, Celal Dogan, in Rom.
Die Türkei sei ein demokratischer Staat. "Die grundlegenden Menschenrechte sind geschützt, wir haben nichts von Sorgen über religiöse Minderheiten gehört", sagte Dogan. Hassverbrechen gegenüber Angehörigen nichtislamischer Gemeinschaften hätten sich bislang nicht ereignet. In der Türkei herrsche eine "Tradition von Friede und Harmonie" zwischen allen religiösen Gruppen.
Menge von Reformen vor sich
Die Regierung in Ankara habe "eine Menge von Reformen" zu erledigen, so der Diplomat weiter. Spezielle vertrauensbildende Maßnahmen im Blick auf Religionsfreiheit und Menschenrechte seien demgegenüber nicht notwendig.
Nachdem türkische Regierungskräfte den Militärputsch vom Freitag mit breitem Rückhalt in der Bevölkerung niedergeschlagen haben, rechnen Kommentatoren mit einer Stärkung des islamisch-konservativen Kurses unter Präsident Recep Tayyip Erdogan.