Die Gewaltakte der jüngeren Vergangenheit stammten von Muslimen, nicht von Christen, Ex-Christen oder Menschen anderer Religionen. Nach den Worten des Kardinals ist das "ein großes Problem für den Islam, mit dem er sich auseinandersetzen muss".
Widerspruch zu Aussagen von Ägyptens Großmufti
Damit widersprach Schönborn in einem Interview mit der Tageszeitung "Standard" indirekt Ägyptens oberstem islamischen Rechtsgelehrten, Großmufti Shawki Allam. Dieser hatte am Donnerstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gesagt, die weltweiten Selbstmordattentate hätten mit dem Islam als Religion nichts zu tun. Allam sagte: "Dies ist kein islamisches Problem." Die von den Extremisten angeführten religiösen Begründungen hätten "nichts mit dem eigentlichen Verständnis des Glaubens zu tun".
Auch Christentum mit "schlimmer Gewaltgeschichte"
Schönborn sagte weiter, auch dem Christentum sei "nicht zu Unrecht vorgeworfen" worden, dass es auf eine "schlimme Gewaltgeschichte" zurückblicke. Auf die Frage, ob das Christentum "das Gewaltkapitel aufgearbeitet" habe und sich nun distanziere, was beim Islam noch nicht der Fall sei, antwortete Schönborn: "Ja, das ist so." Ehrlicherweise müsse er aber anführen, dass die christliche Distanzierung vom Antisemitismus und von den Gewaltexzessen der Religionskriege noch nicht alt sei. "Ohne den Schrecken des Holocaust hätte es wahrscheinlich nicht das klare Bekenntnis gegen den Antisemitismus gegeben", sagte der Kardinal.
Komponente des Wahnsinns
Die "Kernfrage" angesichts von Schreckenstaten wie jener in Nizza ist für Schönborn: "Warum wird jemand zum Terroristen? Wie kommt es, dass sich jemand in einen Lastwagen setzt und, alle inneren Grenzen überschreitend, einfach in die Menge fährt und Männer, Frauen und Kinder tötet? Woher kommt diese schwere Störung des Menschseins?" Religiöser Fanatismus sei sicher ein Teil der Antwort darauf, könne das aber nicht vollständig erklären. "Da gibt es eine Komponente des Wahnsinns", sagte der Kardinal.