Nach einem Treffen mit Präsident François Hollande forderten Katholiken, Muslime, Protestanten und Buddhisten in Frankreich mehr Sicherheit für ihre religiösen Stätten. Innenminister Bernard Cazeneuve kündigte nach einem Treffen des Sicherheitsrates den Einsatz von weiteren 23.500 Polizisten, Gendarmen, Militärs und Reservisten an. Am Dienstag hatten zwei mutmaßlich islamistische Geiselnehmer dem 85-jährigen Priester Jacques Hamelin in Saint-Etienne-du-Rouvray in der Normandie in der Kirche die Kehle durchgeschnitten.
Bis Ende des Sommers finden in Frankreich 56 Großereignisse statt, bei denen die Sicherheit verstärkt werden soll, unter anderem im Wallfahrtsort Lourdes. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian kündigte eine stärkere Verteilung des Militärs auf die Provinz an. Falls die Sicherheit nicht optimal gewährleistet sei, sollten die Veranstaltungen abgesagt werden, sagte der Innenminister.
Gebet ist Waffe der Kirche
Kirchen gelten als potenzielle Zielscheiben der Terrororganisation "Islamischer Staat". Im April 2015 war ein Anschlag auf eine Kirche im Pariser Vorort Ivry vereitelt worden, weil der Täter vorher festgenommen werden konnte. Seither werden große Kirchen wie Notre-Dame in Paris von Militärs überwacht.
Nach dem Mord an dem Priester erklärte die katholische Kirche, es sei unmöglich, alle 45.000 Kirchen im Land zu überwachen. Der Bischof von Rouen, Dominique Lebrun, sagte: "Die katholische Kirche kann zu keinen anderen Waffen greifen als zu Gebet und Brüderlichkeit unter den Menschen."
Friedensstifter
Es sei ein "Augenblick der Wahrheit", erklärte auch der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois: "An welchen Gott glauben wir? An einen Gott des Lebens oder einen Gott des Todes?" Die Propaganda des "Islamischen Staats" beruhe auf letzterem und bringe junge Leute zum Selbstopfer: "Sie hoffen, ins Paradies zu kommen, weil sie ihren Nachbarn umgebracht haben." Die Gläubigen dürften nicht das politische Spiel der Terrororganisation spielen, fuhr der Sprecher der Katholiken fort. Vingt-Trois rief die Gläubigen dazu auf, als Friedensstifter zu wirken und nicht als Kämpfer.
François Clavairoly, Präsident der protestantischen Föderation, sagte: "Einheit ist die Bedingung für einen Sieg über den IS." Am Mittwochabend sollte in Notre-Dame eine Messe für die Opfer des Attentats gehalten werden, zu der sich auch Präsident Hollande angemeldet hatte. Der Rektor der Pariser Moschee Dalil Boubakeur sprach sich für eine Reform der islamischen Institutionen in Frankreich und für eine aufmerksamere Ausbildung der Geistlichen aus.
Dialog mit dem Islam
Sobald er die schreckliche Nachricht von der Ermordung des Priesters gehört hatte, hatte der Präsident des französischen Rats des muslimischen Kults (CFCM) zu seinem Handy gegriffen: Anouar Kbibech drückte seinem katholischen Kollegen Bischof Georges Pontier seine Anteilnahme aus. "Wir verurteilen mit aller Kraft diese barbarische Attacke", ließ auch die Pariser Moschee gleich nach der Tat verlauten.
"Heute ist die katholische Kirche im Visier, aber ganz Frankreich ist in Trauer," erklärte der Große Rabbiner Frankreichs, Haïm Korsia, zusammen mit dem Präsidenten des zentralisraelitischen Konsistoriums Joël Mergui. In katholischen Kreisen wird über die Beziehung zum Islam diskutiert. Der ermordete Priester Jacques Hamelin hatte sich Zeit seines Lebens für einen Dialog mit dem Islam eingesetzt. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Georges Pontier hat alle Gläubigen für Freitag zu einem Fasten- und Gebetstag für den Frieden aufgerufen. Alle Religionen sollen daran teilnehmen.