Nach Terrorakten werden Kirchen und Helfer angefeindet

Jetzt erst recht

Seit rund zwei Wochen sorgen Bluttaten in Deutschland und Frankreich für Entsetzen. Neben Betroffenheit kocht der Hass hoch: Wer sich weiterhin für Solidarität einsetzt, muss mit Gegenwind rechnen.

Autor/in:
Paula Konersmann
Sinkende Zustimmung zur Willkommenskultur / © Boris Roessler (dpa)
Sinkende Zustimmung zur Willkommenskultur / © Boris Roessler ( dpa )

Der Minister wandte sich direkt an die Menschen. "Meine Bitte ist: Lassen Sie sich durch den Vorfall von Würzburg nicht erschüttern in Ihrer für unsere Gesellschaft so wertvollen Arbeit", sagte Thomas de Maiziere (CDU) vor einer Woche an jene Ehrenamtler gerichtet, die teils seit Monaten im Einsatz für Flüchtlinge sind. Und weiter: "Wir brauchen Sie, und wir sind Ihnen dankbar für Ihr Engagement; machen Sie bitte weiter."

Nach mehreren weiteren Bluttaten, darunter die islamistischen Attacken im bayerischen Ansbach und im französischen Saint-Etienne-du-Rouvray, scheint eine Woche wie eine Ewigkeit und der Minister-Appell verhallt. Die Arbeit der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Bayern gehe weiter, sagte Landes-Caritasdirektor Bernhard Piendl am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk. Er berichtete aber auch von zunehmenden Anfeindungen.

Kippt die Stimmung?

Diese Tendenz, so Piendl, sei schon seit Monaten zu spüren, nicht erst seit den jüngsten Gewalttaten. Ein Blick in die Sozialen Netzwerke lässt jedoch vermuten, dass die Beschimpfungen in naher Zukunft nicht nachlassen werden. Wer dort dieser Tag zum Innehalten und Differenzieren aufruft, wird bestenfalls als "Gutmensch" bezeichnet, jenem Begriff, der zum Unwort des Jahres 2015 gekürt wurde.

"Hat ja nichts mit nichts zu tun", ist inzwischen eine gängige Formulierung, nicht nur unter AfD- oder Pegida-Anhängern: eine Anspielung auf Muslimvertreter, die nach Anschlägen regelmäßig beteuern, Religion sei nicht die Ursache für derartige Taten. Darüber hinaus fordern Nutzer auf Facebook auch schon mal "neue Kreuz Ritter" oder die Überwachung von Kirchen. Eine neue Qualität sei derzeit nicht zu beobachten, sagt Felix Neumann, Social-Media-Redakteur beim Internetportal katholisch.de.

Hetze ist nichts Neues

Bislang habe es zwei Höhepunkte der Online-Eskalation gegenüber Kirchen und Flüchtlingshelfern gegeben: zunächst bei deutlichen Stellungnahmen von Bischöfen gegen Pegida-Demonstrationen oder AfD-Kundgebungen, dann im Zuge der Kölner Silvesternacht. "Seither ist die Menge an Beleidigungen und Hetze dauerhaft hoch", so Neumann.

Kirchenvertreter halten dagegen - mit ihrer Kernbotschaft: Barmherzigkeit. "Hier soll Hass zwischen den Religionen geschürt werden", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nach dem Priestermord am Dienstag. "Dem werden wir widerstehen." Auf Twitter kommentiert jemand, der Kardinal solle "konvertieren und das dann seine neuen Glaubensbrüder lehren".

Für die Täter beten

Die Kirchen nähmen die Ängste der Menschen ernst, betont der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp. "Gleichzeitig werben wir dafür, uns nicht einschüchtern zu lassen."

Marx bat auch um Gebete für die Opfer - und fügte hinzu: "Unser Gebet gilt auch den Tätern." Ein Satz, der irritieren mag. Schon im Frühjahr 2014 war darüber diskutiert worden, ob auch des Germanwings-Copiloten gedacht werden solle, der den Absturz der Maschine absichtlich herbeigeführt hatte. Auch Angehörigen des Copiloten hätten einen geliebten Menschen verloren, erklärte damals Bundespräsident Joachim Gauck - und bei der zentralen Trauerfeier im Kölner Dom brannte eine Kerze für den Täter.

"Liebe ist stärker als Terror"

Heute wird Kirchenvertretern im Hinblick auf Flüchtlinge und den Islam vorgeworfen, sie seien naiv, ihre Appelle leere Worte. Sie werden dennoch nicht müde zu betonen: "Barmherzigkeit und Liebe sind größer als jeder Terror", so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn erklärte, es gebe für ihn keine andere Antwort "als jene, die Jesus selber gegeben hat". Die gewaltfreie Botschaft Jesu habe "schließlich die Hartherzigsten bewegt umzudenken, ihr Leben zu ändern", so Schönborn im ORF.

Nicht jeder Flüchtlingshelfer mag religiös sein, und so finden sie weltlichere Worte für eine ähnliche Überzeugung. Laut Caritas-Vertreter Piendl reagieren die meisten Helfer mit der Haltung: "Jetzt erst recht".


Quelle:
KNA