Studie: Viele Flüchtlinge haben rechtspopulistische Einstellungen

Religion wird mehrheitlich als Privatsache angesehen

Eine neue Studie gibt Einblicke in die Weltbilder von Flüchtlingen: Viele befürworten zwar Demokratie und Meinungsfreiheit, wünschen sich aber gleichzeitig einen starken Führer. Damit ähneln sie den hiesigen AfD-Wählern.

Flüchtlinge am Lageso in Berlin / © Paul Zinken (dpa)
Flüchtlinge am Lageso in Berlin / © Paul Zinken ( dpa )

Eine Mehrheit der Flüchtlinge bekennt sich laut einer Umfrage in Berliner Unterkünften zur Demokratie und zu einer klaren Trennung von Staat und Religion. Viele Flüchtlinge offenbarten jedoch "erhebliche politische Verständnisdefizite", heißt es in der neuen Studie "Flüchtlinge 2016", die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Wertebild der Flüchtlinge ähnelt dem von AfD-Anhängern

Eine "besorgniserregende Zahl" der Geflüchteten stimme zudem rechtspopulistischen Aussagen vorbehaltlos zu. "Damit ähnelt das Wertebild der Flüchtlinge in zentralen politischen Teilen am ehesten dem der AfD-Anhänger oder der 'Pegida'-Bewegungen", sagte Studienautor Roland Freytag von der Berliner Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft.

Auch Einstellungen zum sozialen Zusammenleben wichen stark von dem in Deutschland vorherrschenden Meinungsbild ab, sagte der Professor für Wirtschafts- und Medienpsychologie weiter: "In anti-liberalen Einstellungen zu Sexualität, Homosexualität, Ehe und Partnerschaft, ja selbst zu Wohn- oder Lebensformen wie einer WG zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Flüchtlingen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft." Manche Ansichten erinnerten "stark an die muffigen 50er Jahre in Deutschland".

Starke Führung "beste politische Staatsform"

So sprachen sich zwar 84 Prozent der Befragten für Meinungsfreiheit aus. Dass sich aber beispielsweise Künstler über Politiker lustig machen dürfen, befürworteten nur 38 Prozent. Aussagen wie, die beste politische Staatsform sei die, in der ein starker Führer zum Wohle aller regiert, und das Wichtigste in einer Gesellschaft sei die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, notfalls mit Gewalt, stimmten jeweils 64 Prozent zu.

Überraschend tolerant seien dagegen die Einstellungen zur Religion, sagte der Studienautor. Die Mehrheit der Befragten (87 Prozent) denke säkular und spreche sich für Religion als Privatsache aus. Alkoholkonsum (65 Prozent), die Heirat zwischen Christen und Muslimen (60 Prozent) und ein Religionswechsel (52 Prozent) werden von der Mehrheit nicht als Problem angesehen. Auch bei der Gleichberechtigung der Geschlechter gab es bei Männern (77 Prozent) und Frauen (81 Prozent) hohe Zustimmungsraten.

Prüde Sexualmoral

Dagegen erscheine die Sexualmoral der Flüchtlinge im Vergleich zur liberalen deutschen Mehrheitsgesellschaft intolerant und prüde, sagte Freytag. Für etwa die Hälfte der Befragten (48 Prozent) ist Sex vor der Ehe eine Sünde und sollte bestraft werden. Selbst bei den 16- bis 25-Jährigen gebe es dafür hohe Zustimmungsraten, sagte Freytag.

Verbreitet seien auch Vorurteile gegenüber möglichen Nachbarn. 43 Prozent lehnten ein schwules Paar als Wohnungsnachbarn ab, selbst eine Studenten-WG (24 Prozent) oder ein deutsches unverheirateten Paar (18 Prozent) würde viele stören. Dagegen hätten 64 Prozent gegen eine deutsche kinderreiche Familie und 41 Prozent gegen eine afrikanische Familie als Nachbarn nichts einzuwenden. Ein jüdische Familie aus Israel würden allerdings nur 26 Prozent befürworten, 14 Prozent lehnen das ab, 60 Prozent ist es egal.

Gleichzeitig seien die meisten der befragten Flüchtlinge bereit, Deutschland als neue Heimat anzunehmen und dafür in Sprache und Bildung zu investieren, sagte Freytag. Für 92 Prozent sei das Lernen von Deutsch sehr wichtig und vordringlich, 70 Prozent wollen für immer hier bleiben. Für die Studie wurden im Juni und Juli rund 1.000 Fragebögen in den Sprachen Farsi, Arabisch und Englisch in Berliner Flüchtlingsunterkünften verteilt. 445 Antworten kamen zurück und wurden ausgewertet. Geantwortet haben überwiegend Flüchtlinge mit einer höheren Bildung. Die Studie ist nicht repräsentativ.


Quelle:
epd