KNA: Was hat Ihnen den Zuschlag für den Job beschert?
Thomas Arnold: Ich bringe zwei Dinge mit: Zum einen bin ich im Bistum Dresden-Meißen geboren, habe hier 18 Jahre gelebt und weiß, was es heißt, in der Diaspora aufzuwachsen. Mein Elternhaus atmet den Geist der Wendezeit: In Freiheit denken, glauben und leben zu dürfen - was für eine Errungenschaft. Zum anderen habe ich in den vergangenen zehn Jahren unterschiedlichste Facetten des Lebens kennengelernt: Zunächst durch Studienaufenthalte in Vallendar, Bonn, Madrid und Fulda, zuletzt dann als Vorstandsreferent beim Hilfswerk missio.
Jeden Tag die Weltkirche auf dem Schreibtisch und die Begegnung mit vielen Menschen anderer Kontinente, das hat geprägt. Vor allem eine Sicht auf die Situation der Flüchtlinge in ihrer Heimat war für mich gewinnbringend. Die Offenheit und den Mut für neue Wege möchte ich künftig gern in das Team einbringen.
KNA: Inwieweit trägt das neue Halbjahresprogramm schon Ihre Handschrift?
Arnold: Die Katholische Akademie hat bereits ein beachtliches Programm. Um auf aktuelle gesellschaftliche und politische Themen künftig noch besser eingehen zu können, habe ich das neue Format "Kirche kontrovers" angeregt. In dieser Reihe sollen künftig Menschen mit unterschiedlichen Positionen über Fragen am Puls der Zeit debattieren. Dazu gehören auch Themen und Gesprächspartner, deren Positionen uns nicht unbedingt gefallen.
Den Auftakt bildet am 27. September ein Streitgespräch zwischen dem AfD-Vize Alexander Gauland und dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, über die Angst ums Abendland, die ja in Sachsen gerade sehr präsent ist. Damit auch verbunden ist die Frage nach Heimat und Identität.
KNA: Im Mai haben Gauland und Sternberg bereits in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" darüber miteinander diskutiert. Ist das jetzt die "Rückrunde"?
Arnold: Nein, das ist es nicht. Dieses Zusammentreffen hatten wird bereits vor der Diskussion bei "Christ & Welt" verabredet. Dort wurde das Gespräch digital per Skype geführt, wir bringen jetzt Sternberg und Gauland ganz real anderthalb Stunden an einen Tisch, und ich glaube, das entfaltet noch mal eine ganz eigene Dynamik.
KNA: Beim 100. Katholikentag in Leipzig im Mai wollte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken explizit kein Podium mit AfD-Vertretern und hat viel Kritik dafür eingesteckt. Warum ist so ein Gespräch besser in einer Akademie als beim Katholikentag aufgehoben?
Arnold: Wie der Katholikentag sich entschieden hat, ist seine Sache. Wir waren der Meinung, eine katholische Akademie in Sachsen darf so ein Thema bringen, und da ist jetzt der geeignete Zeitpunkt für. Bis zum September sind sicher auch die Emotionen etwas abgekühlt, sodass wieder mehr die inhaltlichen Argumente zählen.
KNA: Sie sind mit 28 Jahren jüngster Akademiedirektor - haben Sie sich bei "alten Hasen" vorab Rat geholt?
Arnold: Ich habe viel Respekt vor den Grandseigneurs. Ich war überrascht, als ich las, dass Thomas Sternberg jetzt nach 28 Jahren als Direktor der Katholischen Akademie in Münster verabschiedet wurde, während ich nun im Alter von 28 Jahren eingeführt werde. Ich hab mit ihm gesprochen, und er hat mich ermuntert, den Mut zu haben, Dinge auszuprobieren. Auch mit zwei, drei anderen habe ich gesprochen - etwa welche Themen und Konzepte erfolgreich sind.
Wir brauchen nicht nur den Finger, sondern quasi die ganze Hand am Puls der Zeit: Welche Themen bewegen? Wo sind die Nöte und Ängste, für die wir eine Plattform mit Niveau anbieten können? Nur ein Beispiel: Wolfgang Thierse wird im Herzen von Leipzig an einem Legida-Montag im September über die Bedeutung von Religion und Toleranz in unserer Gesellschaft sprechen.
KNA: Gibt es neue Schwerpunkte in der Akademiearbeit, die Sie setzen wollen?
Arnold: Da muss ich zunächst mal ein großes Lob meinen Vorgängern sagen. Die Akademie existiert jetzt 15 Jahre mit vier Standorten - Dresden, Leipzig, Chemnitz und Freiberg. Dieses Konzept ist absolut innovativ und erfolgreich. So gibt es nicht nur einen Standort, sondern verschiedene Orte mit unterschiedlichen Schwerpunkten im säkularen Raum. Wo wir noch mal schauen wollen, ist die Frage: Wie kommen wir stärker in gesellschaftliche Themen hinein.
Der Katholikentag hat ja gezeigt, dass das auch in Ostdeutschland funktioniert und es ein Interesse daran gibt. Diesen Schwung wollen wir verstetigen und fortführen. Dabei machen wir uns nichts vor: Mit drei Prozent Katholiken in Sachsen ist auch unsere Akademie klein - dennoch wollen wir inhaltlich möglichst schlagkräftig auftreten und wahrgenommen werden.
KNA: In einer so säkularisierten Region wie Sachsen ist die Hemmschwelle, zu kirchlich organisierten Veranstaltungen zu gehen, höher als anderswo. Womit wollen Sie auch kirchenfernes Publikum ziehen?
Arnold: Auf zwei Wegen versuchen wir diese Hemmschwelle zu senken: Unsere Veranstaltungen finden ja bereits in Museen, Bibliotheken, Schulen und an anderen säkularen Orten statt. Auch gibt es Kooperationen mit säkularen Partnern, etwa der Landeszentrale für politische Bildung, der Chemnitzer Uni oder dem Dresdner Hygienemuseum. Und natürlich sind unsere Themen nicht nur kirchlich, sondern von allgemeiner gesellschaftlicher Relevanz.
Nur zwei Beispiele: Im Oktober diskutieren wir über die aktuelle Mode der Tattoos, im November über die Faszination Dschihad. Der andere Weg, den wir jetzt intensiver beschreiten werden, ist eine deutlich stärkere Präsenz in den sozialen Medien, auch um andere Zielgruppen zu erreichen: auf Facebook, Twitter, Instagram, Google+...
KNA: Wollen Sie Social Media nur zu "Werbe-Zwecken" oder auch für Veranstaltungen selbst und zur Interaktion nutzen?
Arnold: Es ist für mich schon eine Frage, wie wir mit solch einer neuen Entwicklung wie Facebook Live umgehen und diese einsetzen können. Ich könnte mir durchaus vorstellen, Akademie-Veranstaltungen bei Facebook zu streamen und auch "Publikum von außen" interaktiv einzubinden.
KNA: Gibt es eigentlich auch ein spezielles Angebot für Sorben oder Kooperationen?
Arnold: Die Sorben sind ganz wichtig für unser Bistum, und sie gehören selbstverständlich auch zur Akademie dazu. Wir haben keinen eigenen Standort in ihrer Region, sprich in Bautzen. Aber es gibt Kooperationen, etwa mit dem Bischof-Benno-Haus, und wir sind in guten Gesprächen, wie wir das auch weiterhin gemeinsam gestalten.
KNA: Wie sehen Sie Ihre Akademie im Verhältnis zur Katholischen Akademie in Berlin, die ja auch eine gemeinsame Einrichtung der ostdeutschen Bistümer ist. Gibt es da inhaltliche Abstimmungen?
Arnold: Die Katholische Akademie in Berlin hat einen ganz eigenen Stellenwert, nicht zuletzt durch den Hauptstadt-Standort mit seinem bundespolitischen Betrieb. Ich sehe es als wertvolle Ergänzung, miteinander in Austausch zu kommen. Im Oktober treffe ich meinen dortigen Amtskollegen, Joachim Hake, und dann werden wir besprechen, wo es Anknüpfungspunkte gibt. Berlin und Sachsen ist ja nur eine Zugstunde voneinander entfernt.
Das Interview führte Karin Wollschläger.