Es ist ein heißes Eisen, das Karl Lauterbach da anpackt. Am Donnerstag hat sich der Gesundheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" für eine Neuregelung der Organspende in Deutschland ausgesprochen. Der Mediziner plädiert ausgerechnet für die sogenannte "Widerspruchslösung", die von den meisten deutschen Politikern, aber auch von den Kirchen weithin abgelehnt wird. Lauterbach selbst räumt ein, ihm sei bewusst, dass seine Position nicht von jedem SPD-Mitglied geteilt werde.
Schon seit den Anfängen der Transplantationsmedizin wird darüber diskutiert, ob es eine Pflicht zur Organspende gibt und wer potenzieller Organspender ist. Deutschland hat sich 1997 im Transplantationsgesetz für eine "erweiterte Zustimmungslösung" entschieden: Nur wer zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat, ist ein potenzieller Spender. Erweitert wird die Regelung dadurch, dass auch die Angehörigen oder vom Verstorbenen dazu bestimmte Personen berechtigt sind, über eine Entnahme zu entscheiden. Entscheidungsgrundlage ist dabei immer der ihnen bekannte oder der mutmaßliche Wille des Verstorbenen.
Plädoyer für die "Widerspruchslösung"
Lauterbach verweist mit seinem Plädoyer für die "Widerspruchslösung" dagegen auf die Niederlande. Dort hat das Parlament am Dienstag mit äußerst knapper Mehrheit entschieden, dass künftig grundsätzlich jeder Bürger ein Organspender sein soll. Nur wer ausdrücklich widerspricht, kommt im Fall eines Falles nicht als Organspender in Frage.
Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied, weil die Organentnahme damit zum Regelfall gemacht wird. Das Ziel einer solchen Regelung: die Zahl der Organspenden erhöhen. Allein in Deutschland warten mehr als 10.000 Patienten auf ein Spenderorgan; viele sterben, während gleichzeitig die Spendenbereitschaft in den vergangenen Jahren stark gesunken ist.
Katholische Kirche: Organspende muss freiwillig bleiben
Für die katholische Kirche in Deutschland wäre eine Widerspruchsregelung dennoch nicht akzeptabel: Nach ihrer Ansicht muss die Organspende eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleiben. Auch Lauterbach ist sich bewusst, dass eine Widerspruchsregelung das Misstrauen gegenüber der Transplantationsmedizin noch erhöhen könnte. Der SPD-Politiker verweist deshalb darauf, dass alles getan werden müsse, um ein Nein zur Organspende auch verlässlich zu dokumentieren - etwa im Führerschein, im Personalausweis und mit einem eigenen Organspendeausweis. Zugleich sollten auch die Angehörigen ein Widerspruchsrecht erhalten: Wenn die Familie nach dem Tod ihres Angehörigen glaubhaft versichert, dass dieser sich gegen die Organspende entschieden hätte, etwa weil er mehrfach darüber gesprochen hat, dann muss dies entsprechend gehandhabt werden."
Vergleich mit Regelungen anderer Staaten
Ein Blick auf Europa zeigt, dass die Niederlande mit einer Einführung der Widerspruchslösung nicht allein stehen. Nach einer Übersicht der Krankenkassen haben 16 weitere europäische Staaten die Organspende auf diesem Weg geregelt, darunter auch die Nachbarn Belgien, Luxemburg, Frankreich, Österreich und Polen. Auch Spanien gehört dazu: Dass das Land die weltweit höchste Rate an Organspendern hat, dient oft als Argument für die Einführung einer Widerspruchslösung.
Dabei wird in den meisten dieser Länder nicht gegen den Willen der Angehörigen gehandelt. In Bulgarien allerdings kann man sogar gegen den eigenen Willen zum Organspender werden. Und in Frankreich kann zwar jeder für sich selbst Widerspruch einlegen. Aber schon die Angehörigen verfügen über kein Widerspruchsrecht. Welche Gesetzgebung in den Nachbarstaaten gilt, ist für Deutsche durchaus von Belang. Als Urlauber kann man in Europa durchaus zum Organspender wider Willen werden.