Caritas-Generalsekretär dringt auf Sachlichkeit in Armutsdebatte

Fakten statt Polemik

Der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands, Georg Cremer, hat die deutsche Debatte über Armut als unsachlich kritisiert. Es gebe ernstzunehmende Probleme, "aber in der Form, wie wir über Armut sprechen, behindern wir ihre Bekämpfung".

Armut in Deutschland (dapd)
Armut in Deutschland / ( dapd )

Das sagte er gegenüber dem "Spiegel". Die Diskussion müsse sich an Fakten orientieren. Es gebe einen Empörungsgestus, den er für unethisch halte, erklärte Cremer. Dabei gerate aus dem Blick, "dass wir in einem relativ gefestigten und gut regierten Land leben". Wer behaupte, dass alles ständig schlimmer werde, spiele Populisten in die Hände.

Verdeckt Arme

Manche tatsächlich gefährdeten Gruppen tauchten in der öffentlichen Debatte kaum auf, kritisierte der Experte, dessen Buch "Armut in Deutschland" soeben erschienen ist. Als Beispiele nannte er verdeckt Arme, die ihre Ansprüche nicht kennen oder sie aus Scham nicht geltend machten. "Eine andere Risikogruppe bilden jene, die im Versandhandel, in Haushalten oder in der Pflege ohne Tarifvertrag beschäftigt sind." Sie arbeiteten oft hart und viel, seien aber finanziell oder gewerkschaftlich kaum abgesichert.

Ein Umdenken forderte Cremer sowohl bezüglich des Alters als auch der Kinderarmut. So müsse sich die Gesellschaft daran gewöhnen, dass jemand im fortgeschrittenen Alter noch einmal den Job wechseln könne.

Höhere Erwerbsminderungsrente gefordert

Zugleich brauche es eine höhere Erwerbsminderungsrente für jene, die nicht mehr arbeiten können. Für Familien mit Kindern müssten "passende Angebote für Teilzeitarbeit und eine verlässliche Ganztagsbetreuung" geschaffen werden; auch müsse das Kindergeld stärker gestaffelt werden.

Auch seien Investitionen in Bildung entscheidend, sagte Cremer. "Wir müssen jeden Menschen in die Lage versetzen, sein Potenzial so weit zu entfalten, dass er das Leben selbst in die Hand nehmen kann." Dies scheitere immer wieder, weil sich Menschen in Zwängen gefangen fühlten oder Innovationen an Zuständigkeiten scheiterten.


Quelle:
KNA