"Wir sind dagegen, denn die rechtlichen Grenzen werden nicht durch eine fiktive Zahl festgelegt, sondern durch unser Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention. Daran sind wir gebunden", sagte der Erzbischof von München und Freising in einem Interview der "taz".
"Oft höre ich leider heraus, dass der Fremde, der in Not ist, als Bedrohung dargestellt wird, die man schnell loswerden will. Das ist keine christliche Position", sagte Marx. "Da muss doch auch immer Mitgefühl spürbar sein. Ich erwarte und werbe, dass einige rote Linien nicht überschritten werden."
Kritisch äußerte er sich zum Beschluss der CSU über einen Vorrang für Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis. Marx nannte diesen Vorschlag "sehr fragwürdig". Weiter sagte er: "Wir haben schon seit Jahrzehnten Millionen von Muslimen in Deutschland. Die haben wir hierher gebeten, um unseren Wohlstand zu mehren. Denen kann man jetzt nicht signalisieren: Eigentlich gehört ihr hier gar nicht hin."
Weltgemeinwohl als Priorität
Marx beklagte auch die Zunahme von Nationalismus in Europa. "Jeder geht wieder in sein nationales Häuschen und sagt: Britain first! Hungary first! Poland first! Germany first! Das ist doch schlimm." Die Kirche müsse die "universale Karte spielen, das heißt: das Weltgemeinwohl im Blick zu behalten".
Am Umgang mit Flüchtlingen "zeigt sich, welchen Werten wir folgen", so Marx, "haben wir nur noch den ökonomischen Wohlstand und seine Verteidigung im Blick?" Eine Entwurzelung durch einen globalisierten Kapitalismus spiele eine große Rolle. "Deshalb müssen wir über den Kapitalismus hinaus denken. Nicht die Marktwirtschaft ist das Problem, sondern zu meinen, durch Märkte käme wie von selbst Gerechtigkeit und Wohlergehen in alle Welt. So einfach ist es nicht."
Extreme Haltungen nähmen offenbar in Deutschland zu, sagte Marx. "Ich glaube, dass die Zivilisationsdecke nicht sehr dick ist. So als könnten wir nie wieder zurückfallen in die Barbarei". Manchmal, so der Kardinal, "habe ich Albträume: Vielleicht ist die freie Gesellschaft nur eine Episode. Und autoritäres Denken macht sich wieder breit. Darauf müssen wir eine Antwort geben, zum Beispiel in unseren Schulen, um diesen Auswüchsen schon früh zu begegnen. Wir haben eine bleibende Aufgabe - auch als Kirche - das Wachsen der radikalen Ränder zu verhindern."