Überflüssige Lebensmittel an Bedürftige verteilen - das ist die einfache, aber bestechende Idee der Tafeln. Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es sie in Deutschland, inzwischen sind es 921. Die meisten Einrichtungen haben Nordrhein-Westfalen (166) und Bayern (161). Seit dem vergangenen Jahr nutzen auch verstärkt Flüchtlinge die Tafeln. Sie holen Lebensmittel, viele bleiben aber auch und helfen selbst beim Austeilen von Obst, Gemüse und Konserven.
Mittlerweile arbeiteten in 40 Prozent der Tafeln Flüchtlinge als Ehrenamtliche oder als Bundesfreiwillige. Tendenz steigend, erklärt der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl, am Dienstag in Berlin. Anders als zunächst befürchtet, komme es aber nur in Einzelfällen zum Streit mit "Stammkunden". Das Verständnis füreinander sei sehr groß. Auch die Helfer hätten flexibel auf die Situation reagiert. "Nicht mit einem 'Wir schaffen das', sondern mit einem 'Wir machen das'", so Brühl.
Mehr Menschen nehmen Tafel in Anspruch
Damit leisteten die Tafeln auch für diese Menschen eine Soforthilfe und förderten die Integration. Zugleich warnte Brühl davor, dass die Angebote seitens der Politik überstrapaziert würden. Die Bundesregierung dürfe die Ärmsten nicht aus dem Blick verlieren, sonst drohe der gesellschaftliche Unfriede. Schließlich seien die Tafeln auch "ein Seismograph für die Armut".
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl der Tafel-Nutzer den Angaben zufolge erneut - um etwa 18 Prozent. Im vergangenen Jahr seien 1,5 Millionen Menschen bundesweit immer wieder zu den Ausgabestellen gekommen. Dazu gehörten demnach etwa 280.000 Flüchtlinge. Bundesweit verteilten die Helfer 215 Tonnen Produkte, 25 Tonnen mehr als im Jahr zuvor. Auch bei den Warenspenden gebe es einen Anstieg, dieser liege bei etwa zehn Prozent. Trotz angestiegener Spendenmenge bekomme deshalb jeder Einzelne im Durchschnitt etwas weniger Lebensmittel, so Brühl.
Die Tafel: Ein Ort für Missverständnisse
Die Situation habe sich insgesamt im Vergleich zum Vorjahr wieder entspannt. Viele Anfangsschwierigkeiten in der Flüchtlingsbetreuung seien behoben worden: So arbeiteten mehr Dolmetscher mit, und es gebe mehrsprachiges Informationsmaterial. Nach wie vor existierten aber Schwierigkeiten. So gebe es bei einigen Migranten eine "Anspruchshaltung", weil sie dächten, es handele sich um eine staatliche Einrichtung. Zudem würden manche Lebensmittel aus religiösen oder kulturellen Gründen nicht angenommen.
Insgesamt trügen die Tafeln dazu bei, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen abzubauen. Der Bundesverband habe auch aus dem Sonderprogramm des Bundesfreiwilligendienstes 17 Stellen bewilligt bekommen, die mit Flüchtlingen besetzt seien.
Tafel ist nur ergänzende Hilfe
Zugleich übte Brühl scharfe Kritik an Versuchen von außen, einen Keil zwischen die Ärmsten in Deutschland zu treiben. So gebe es im Internet Aufrufe wie "Deutsche Lebensmittel nur für deutsche Arme", die der Verband nur mit einem Kopfschütteln registrieren könne.
Brühl betonte, die Lebensmittelspenden der Tafeln seien lediglich eine ergänzende Hilfe. Sie deckten nicht den wöchentlichen Lebensmittelbedarf der Betroffenen. Tafeln könnten auch nie die ganze Bandbreite von Lebensmitteln anbieten - und sie hätten nie den Anspruch einer Vollversorgung gehabt.
Verantwortung liegt bei der Politik
Um Armut zu bekämpfen, sei die Politik gefragt, so Brühl. Als Fürsprecher für bedürftige Menschen erhebt der Verband deshalb auch politische Forderungen. Er tritt für die Berufung eines Bundesbeauftragten zur Bekämpfung der Armut, eine bedarfsgerechte Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze sowie eine kostenlose Mittagsverpflegung für Kinder ein.
Damit wehrt sich der Verband zugleich gegen Kritiker der Tafelbewegung. Deren Hauptvorwurf ist es, dass sich die Tafeln inzwischen von ihrem ursprünglichen Ansatz als Notlösung entfernt hätten und der Politik als eine Art Alibi dienten. "Wir können Armut lindern, aber nicht beseitigen", so Brühl.