Nach der ersten Schockstarre über die Abstimmungsniederlage versucht Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Der wichtigste Schritt dabei: Die Regierung und das Nein-Lager rund um die rechtsgerichtete Opposition der Partei "Centro Democratico" (CD) des ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe (2002 - 2010) nehmen direkte Gespräche auf.
Beide Seiten schicken dabei prominente Vertreter ins Rennen. Sie sollen Möglichkeiten ausloten, wie der in vier schwierigen Jahren ausgehandelte Friedensvertrag mit der linksgerichteten FARC-Guerilla doch noch zu retten ist, der am Sonntag bei der Volksabstimmung mit nur 49,76 Prozent überraschenderweise keine Mehrheit bekommen hatte.
Carlos Holes Trujillo, der beim letzten Wahlgang unterlegene Präsidentschaftskandidat Oscar Ivan Zuluaga und Ivan Duque vertreten das Lager der Gegner des aktuellen Friedensvertrages. Auch Santos nominierte drei prominente Gesichter: Humberto de la Calle, Chefunterhändler der Regierung in den Gesprächen mit der FARC, der noch am Morgen in dieser Funktion sein Amt zur Verfügung gestellt hatte, soll die Gespräche mit dem Uribe-Lager leiten.
Eingeschlagenen Weg fortsetzen
Ein blitzschnelles Comeback des Mannes, der eigentlich die politische Verantwortung für das Scheitern übernehmen wollte, dessen Rücktrittsgesuch Santos aber zurückwies. Außenministerin Maria Angela Holguin sowie Verteidigungsminister Luis Carlos Villegas komplettieren die Kommission. In diesen Gesprächen soll nun sondiert werden, welche konkreten Forderungen zur Nachbesserungen des Abkommens das Uribe-Lager stellt.
FARC-Kommandant "Timochenko" bekräftigte derweil nochmals die Bereitschaft der Rebellen, den eingeschlagenen Weg des Friedens fortzusetzen.
Unterdessen rief die Kolumbianische Bischofskonferenz zur Besonnenheit auf. In einer Stellungnahme, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA )vorliegt, mahnte der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Weihbischof Elkin Fernando Alvarez Botero aus Medellin, das Ziel des Friedensprozesses nicht aus den Augen zu verlieren. Es gelte die Polarisation und die Spaltung im Land zu überwinden. "Wir laden alle zu einer objektiven Analyse der Realität, einem respektvollen und brüderlichen Dialog, der Einheit und der Großzügigkeit ein", heißt es in dem Schreiben.
Es gelte eine Kultur des Zusammentreffens zu entwickeln, die zu einem Gefühl der Vergebung und der Versöhnung ermuntere. In dem vom Bischofskonferenz-Vorsitzenden, Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga aus Tunja, unterschriebenen Brief begrüßen die Bischöfe zudem die Bereitschaft der Regierung, zu einem Nationalen Pakt für den Frieden aufzurufen. Die Kirche stehe bereit, dabei zu helfen, die Ursachen der Gewalt zu bekämpfen.
Einfluss auf Papstreise?
Derweil spekulieren die kolumbianischen Medien, ob das "Nein" zum ausgehandelten Friedensvertrag Einfluss auf eine mögliche Reise von Papst Franziskus im kommenden Jahr haben könnte. Während Erzbischof Castro schon vor Bekanntwerden des Ergebnisses klarstellte, dass der Papstbesuch unabhängig von dem Votum zu betrachten sei, interpretieren kolumbianische Medien das Kirchenoberhaupt anders.
Franziskus habe auf seiner Rückreise aus Georgien seine Reise nochmals vom Ergebnis der Volksabstimmung abhängig macht. Der Papst hatte vor der Volksabstimmung betont, Präsident Santos habe alles für den Frieden riskiert. Er verspreche, wenn das kolumbianische Volk und die internationale Staatengemeinschaft dem Abkommen zustimme, werde er nach Kolumbien kommen, um den Frieden zu lehren.
Die kolumbianische Bevölkerung hatte die über vier Jahre ausgehandelte Friedensvereinbarung am Sonntag (Ortszeit) in einer Volksabstimmung überraschend abgelehnt. Laut staatlicher Wahlbehörde erreichte das Lager der Gegner bei geringer Wahlbeteiligung eine hauchdünne Mehrheit von 50,23 Prozent der Stimmen; die Befürworter kamen nur auf 49,76 Prozent. Umfragen hatten einen Sieg der Befürworter vorausgesagt.