Die Kulturliste Köln vermittelt leere Plätze an Bedürftige

"Pure Dankbarkeit"

Theater, Oper oder Konzert: Nicht selten bleiben die Sitze leer. Die Kulturliste Köln vermittelt deshalb Menschen mit geringem Einkommen auf die leeren Plätze. Noch immer wissen zu wenige von uns, heißt es im domradio.de-Interview.

Felix Mauser von der Kulturliste Köln  / © Sebastian Witte  (DR)
Felix Mauser von der Kulturliste Köln / © Sebastian Witte ( DR )

domradio.de:  Ich muss jetzt aber keine Angst haben, dass das jetzt eine Veranstaltung zweiter Wahl ist, wenn die Plätze leer bleiben?

Felix Mauser (Kulturliste Köln): Überhaupt nicht. Es geht durch alle möglichen Kölner Kulturinstitutionen. Angebote gibt es vom Opernhaus, dem Schauspielhaus, aber auch von vielen kleinen Privattheatern, Kinos, der Lit.Cologne, dem Kölner Kammerorchester. Wir haben alle Sparten der Kultur, sei es Sprechtheater, sei es Musik – von Klassik bis Jazz. Da wir auch Menschen mit geringen Deutschkenntnissen, wie zum Beispiel Flüchtlingsgruppen, vermitteln, sind die natürlich in musikalischen Veranstaltungen besser aufgehoben. Mittlerweile sind es 75 Kulturpartner aus dem ganzen Stadtgebiet.

domradio.de: Sie haben gerade die Flüchtlinge angesprochen. Wer kann sich denn alles bei Ihnen melden?

Mauser: Das einfachste ist, wenn es einen Nachweis gibt, damit es auch die Menschen erreicht, die zum Beispiel über einen Kölnpass verfügen, oder über einen Hartz-IV-Bescheid oder Vergleichbares. Das sichert uns zu, dass es Menschen sind, die ein gewisses Einkommen nicht überschreiten und insofern berechtigt sind, bei uns zu Gast zu sein.

domradio.de: Und was ist mit Obdachlosen? Die haben ja oft keinen Köln-Pass und keinen Hartz-IV-Bescheid.

Mauser: Das ist schwierig. Das liegt nicht daran, dass wir Obdachlose ausgrenzen möchten, aber wir müssen sie natürlich telefonisch erreichen können. Wir vermitteln die Karten über Telefon – das heißt, wir brauchen eine Adresse, wir brauchen eine Telefonnummer und eben diesen entsprechenden Nachweis. Aber wir haben im Prinzip Familien, Einzelpersonen, Rentner mit einer geringen Rente, Alleinerziehende – es geht einmal durch alle Familienformen.

domradio.de: Und wie funktioniert das dann in der Praxis? Ruft dann Herr XY an und sagt: Herr Mauser, ich würde so gerne mal in die Philharmonie oder kommt eher die Frage: Was haben Sie denn heute noch frei?

Mauser: Das geht in beide Richtungen. In der Regel melden wir uns. Die Veranstalter melden sich bei uns und geben uns ein Kartenkontingent. Wir haben unsere Gäste gespeichert im Computersystem und rufen sie an. Sie können sich bei uns anmelden und kreuzen dann an, ob sie sich beispielsweise für Literatur interessieren oder für klassische Musik. Wir suchen dann die passenden Veranstaltungen für die passenden Menschen und laden sie dann konkret ein.

domradio.de: Und gibt es auch Hemmschwellen bei Interessierten?

Mauser: Es ist einfach pure Dankbarkeit. Es ist ja auch in den seltensten Fällen eine Situation, für die sich jemand schämen müsste. Bei uns sind alle willkommen. Wir richten uns ganz nach dem Prinzip der Tafel, die Lebensmittel, die überflüssig sind, vermitteln. Und wir vermitteln etwas andere Lebensmittel, nämlich Kultur. Und wenn ich aus finanziellen Gründen davon ausgeschlossen bin, ist das genauso wichtig. Es ernährt mich ja in einer Art und Weise auch. Niemand sollte eine Überwindung verspüren, sich zu melden. Ich habe den Eindruck, dass noch immer viel zu wenig Menschen in Köln von uns wissen. Wir existieren jetzt seit vier Jahren und haben aber noch Kapazitäten für sehr viel mehr Gäste und freuen uns über jeden, der sich meldet.

Das Gespräch führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR