Am Montagabend (Ortszeit) gaben die kolumbianische Regierung und die zweitgrößte Guerilla-Gruppe des Landes, die marxistische ELN, in der venezolanischen Hauptstadt Caracas die Aufnahme direkter und öffentlicher Friedensgespräche bekannt.
Startschuss der Verhandlungen ist am 27. Oktober in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Garantiemächte der Gespräche sind Venezuela, Ecuador, Chile, Kuba, Brasilien und Norwegen. Zugleich kündigte die ELN die Freilassung langjähriger Geiseln an. Dies hatte Präsident Santos zuvor zur Bedingung für die Aufnahme der Gespräche gemacht.
Marxistische Rebellengruppe
Nach Schätzungen der kolumbianischen Behörden verfügt die ELN über eine Truppenstärke von 2.500 Männern und Frauen und ist überwiegend im Osten des Landes aktiv. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehen fast 7.000 Morde, ebenso viele Entführungen, 3.000 Fälle von Landvertreibung und etwa 1.000 Zwangsrekrutierungen auf das Konto der marxistischen Gruppe. Sie wird zugleich für schwerste Umweltzerstörungen durch mehr als 1.300 Anschläge auf Öl-Pipelines verantwortlich gemacht.
Die ELN wurde 1964 von Studenten, radikalen Befreiungstheologen und linken Intellektuellen aus Protest gegen die Armut der Kleinbauern gegründet. Sie ist nach der ebenfalls linksgerichteten FARC die zweitgrößte Rebellenbewegung des Landes und befindet sich weiter im Kriegszustand mit der Regierung.
Nachverhandlungen zum Friedensvertrag
Mit Blick auf die Nachverhandlungen nach dem Nein bei der Volksabstimmung über den ausgehandelten Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla sagte Santos in einer TV-Ansprache am Montagabend (Ortszeit): "Kolumbien hat nun eine große Möglichkeit, nicht nur einen stabilen und dauerhaften, sondern auch breiter aufgestellten Frieden zu erreichen."
Für die Friedensverhandlungen mit der FARC hatte Santos in der vergangenen Woche den Friedensnobelpreis erhalten. Die Gespräche sollen nach dem knappen Nein bei der Volksabstimmung fortgesetzt werden, um Korrekturen an dem Abkommen vorzunehmen. Kolumbiens Regierung erwartet bis Mittwoch dieser Woche konkrete Vorschläge des siegreichen Nein-Lagers.
Verteidigungsminister Luis Carlos Villegas gab nach einem Treffen mit Vertretern der rechtskonservativen Partei Centro Democratico von Ex-Präsident Alvaro Uribe den weiteren Zeitplan bekannt. Demnach soll einen Tag nach Eintreffen eines Positionspapiers des Nein-Lagers die Regierung eine Stellungnahme abgeben.
"Sind wir einem völligen Konsens nahe? Nein. Haben wir angefangen über die Vorschläge zu diskutieren, die uns annähern? Ja", sagte Villegas am Montagabend (Ortszeit). Präsident Santos rief das Uribe-Lager auf, "realistische und durchführbare Vorschläge" zu unterbreiten und den Prozess nicht weiter verzögern.