Vor 125 Jahren wurde Edith Stein geboren

Philosophin in Ordenstracht

Mit ihrem Martyrium hat Edith Stein Zeugnis für den jüdischen und den christlichen Glauben abgelegt. Und gezeigt, dass man am Grauen der Schoah in seinem Glauben nicht zwingend zerbrechen muss, sondern auch wachsen kann.

Autor/in:
Anselm Verbeek
Statue der Ordensfrau Edith Stein von Künstler Paul Nagel (KNA)
Statue der Ordensfrau Edith Stein von Künstler Paul Nagel / ( KNA )

Papst Johannes Paul II. fand bei ihrer Seligsprechung 1987 gewichtige Worte für Edith Stein. Sie sei eine "große Tochter des jüdischen Volkes und gläubige Christin inmitten von Millionen unschuldig gemarterter Mitmenschen". Der Papst betonte, sie habe nicht nur passiv Leid und Tod auf sich genommen: "Als 'Benedicta a Cruce - die vom Kreuz Gesegnete' wollte sie mit Christus Kreuzträgerin sein für das Heil ihres Volkes, ihrer Kirche, der ganzen Welt." Vor 125 Jahren, am 12. Oktober 1891, wurde sie in Breslau als jüngstes von elf Kindern geboren.

Aufgewachsen in jüdischer Tradition

Ihre Mutter war Vorbild für Steins späteren Kampf um soziale und politische Gleichberechtigung der Frauen. Auguste Stein führte den verschuldeten Holzhandel ihres früh verstorbenen Mannes auf den Erfolgspfad. Edith wuchs in einer jüdischen Tradition auf. Hochbegabt und brennend ehrgeizig, fühlte sie sich gefordert, als sie das eben erst auch für Mädchen geöffnete Gymnasium besuchen konnte.

Als 15-Jährige hat sie sich "das Beten ganz bewusst und aus freiem Entschluss abgewöhnt", wie ihre Autobiografie überliefert. Aber die Sinnfrage hat Edith Stein nie losgelassen. Als eine der ersten Studentinnen begann sie Germanistik, Geschichte, Philosophie und Psychologie zu studieren. Daneben engagierte sie sich für das Frauenstimmrecht.

Berufstraum einer Philosophie-Professur

Die Suche nach einem "Sinnzusammenhang" führte sie zur Philosophie nach Göttingen. Aufschluss über das Wesen der Dinge ohne Vorurteile versprach die Phänomenologie. Zielstrebig verfolgte sie den Berufstraum einer Philosophie-Professur. Sie arbeitete dann für Edmund Husserl in Freiburg, als erste wissenschaftliche Assistentin der Philosophie an einer deutschen Universität. Bereits in ihrer Dissertation "Zum Problem der Einfühlung" spiegelt sich ihre noch vorsichtig verklausulierte Bereitschaft, die Erfahrung des Anderen auch metaphysisch über die Grenzen des eigenen Bewusstseins zu erweitern.

Lebenserinnerungen und Vorbild der heiligen Teresa von Avila, Karmelitin und Reformerin, haben dem "langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht", urteilte Edith Stein selbst. Nachdem die NS-"Machtergreifung" ihr als Jüdin ein öffentliches Wirken versperrt hatte, trat sie unter dem Namen ihrer geliebten Teresa dem Kölner Karmel bei.

Zuvor hatte sie am Lyzeum und Lehrerinnenseminar der Dominikanerinnen in Speyer und am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster doziert. Als im April 1933 die staatliche Hetze einen ersten Höhepunkt erreichte, bat Stein Papst Pius XI. in einem Brief, er möge "gegen die Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt" und den "Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut" seine Stimme erheben.

Während über das Reichskonkordat bereits verhandelt wurde, warnte sie vor der Illusion, Schweigen werde "den Frieden ... erkaufen". Im Karmel verfasste Stein ihr Hauptwerk "Endliches und ewiges Sein". Darin fragte sie - wie Husserl-Schüler Martin Heidegger - nach dem Sinn von Sein. Aber über die Existenzphilosophie hinaus suchte sie nach einem "in sich begründeten Sein, nach Einem, der das 'Geworfene' wirft".

Schutz für das Kölner Karmel

Wenn das zeitliche am ewigen Sein Gottes teilhat, jede Seele "ein besonderes Siegel trägt", liegt in der Ebenbildlichkeit eine Bürgschaft der Würde - auch dann, wenn Menschenrechte mit Stiefeln getreten werden. Um den Kölner Karmel zu schützen, siedelte Edith Stein mit ihrer Schwester Rosa 1938 in den Karmel im niederländischen Echt über.

Wie Pius XI. in seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge" (1937) haben die niederländischen Bischöfe nicht geschwiegen. Der Protest gegen Judenverfolgung wurde am 26. Juli 1942 von den Kanzeln aller katholischen und vieler protestantischen Kirchen verlesen. In einem Racheakt wurden alle katholischen Juden nach Osten verschleppt und ermordet, darunter auch Edith Stein. Am 9. August 1942 starb sie in den Gaskammern von Auschwitz. Die Mystikerin hatte fest geglaubt, nach dem Tod würden sich "einzelne verlorene Töne, die ... der Wind von einer in weiter Ferne erklingenden Symphonie zuträgt", zu einem "vollendeten Sinnzusammenhang" fügen.


Quelle:
KNA