Fahren auf der Autobahn: Das heißt in der Regel Stress pur, vor allem im Ferienverkehr. Aber zum Glück gibt es Raststätten. Da kann man essen, trinken, sich die Beine vertreten und das Auto mit Kraftstoff auffüllen.
Es gibt aber auch Raststätten, die sich nicht ums körperliche Wohl sorgen, sondern ausschließlich für den Geist da sind: Autobahnkirchen.
Schilder mit dem Piktogramm der klassischen Dorfkirche - Haus mit spitzem Turm - weisen die Autofahrer auf die Existenz dieser Kirchen hin. Einmal von der Autobahn ab und der Beschilderung hinterhergefahren, muss man aber manchmal genau hinschauen, um das Gebäude überhaupt als Kirche zu erkennen. Klein, groß, grau, bunt, aus Beton, Kunststoff oder Glas: Der künstlerischen Freiheit sind beim Bau von Autobahnkirchen (fast) keine Grenzen gesetzt. Denn sie unterliegen keiner übergeordneten kirchlichen Institution. Für die Inbetriebnahme braucht es lediglich der Zustimmung des Verkehrsministeriums und der jeweiligen Landeskirche oder des Bistums.
Preisgekrönte Kirche schwebt über der B45
Im südlichen Siegerland, an der B45, steht Deutschlands wohl bekannteste Autobahnkirche: postmoderne sakrale Architektur par excellence. Sie wurde von einem renommierten Architektenbüro aus Frankfurt entworfen und hat seitdem mehrere Preise abgeräumt. Jetzt gerade wurde die Autobahnkirche Siegerland zum Beispiel mit dem "American Architecture Prize in Gold 2016" ausgezeichnet. Für die Kirche ist es der neunte Preis in drei Jahren.
Das "spektakulärste religiöse Gebäude 2014" schwebt quasi über der Autobahn: Ein weißes, zackiges Gebäude mit zwei Türmen, die nahtlos in den Bau übergehen ist schon von der Fahrbahn aus zu erkennen. So kantig, kalt und fremd die Kirche von außen wirkt, so weich, warm und einladend ist ihr Inneres: Unter einer filigranen Innenkuppel aus Holz öffnet sich ein weißer Altarbereich, frei von Zeichen und Verzierungen. Die Einrichtung ist aus dem selben Holz wie die Kuppel gefertigt und ebenfalls schlicht. Durch die zwei Türme gelangt Tageslicht in die Kirche, die zu Tages und Nachtzeit aufgesucht werden kann.
Denn die Autobahnkirche Siegerland hat 24/7 geöffnet. An manchen Tagen finden dort Konzerte oder besondere Andachten statt. Jeden Freitagabend sind Reisende zur Wochenschlussandacht eingeladen. Der Förderverein Autobahnkirche Siegerland e.V. kümmert sich um die Veranstaltungen und die Instandhaltung des Gebäudes.
Deutsches Phänomen
Möglichkeiten für Wanderer und Pilger zur Einkehr am Wegesrand gab es schon im Mittelalter. Die Idee ist also nicht neu. Auf Autobahnen übertragen ist sie dennoch in der heutigen Zeit international fast einmalig: Bis auf wenige Ausnahmen gibt es Autobahnkirchen und -kapellen nur in Deutschland. Vor 60 Jahren wurde der Grundstein der ersten Kirche gelegt, zwei Jahre später war man fertig und die Kirche Maria, Schutz der Reisenden, wurde an der A8 bei Adelsried geweiht.
Heute laden bundesweit wohl 42 Autobahnkirchen zur spirituellen Pause von der Fahrt ein. Den Bau und den Unterhalt bezahlen meistens private Initiativen. Je nach dem, wer hinter der Kirche steht ist sie katholisch oder evangelisch - die meisten sind überkonfessionell ausgerichtet.
Für Autobahnkirchen gibt es in Deutschland zwar keine architektonischen Soll-Vorgaben, aber um als solche zu gelten, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein: So muss das Gotteshaus nicht weiter als 1000 Meter von der Bahn entfernt stehen, die Kirche muss täglich mindestens von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet sein und im Innenraum sollte Platz genug sein, um eine Bus-Reisegruppe aufzunehmen.