Sterben müssen wir alle. Doch wer bereitet sich schon darauf vor? Organspendeausweis, Patientenverfügung, Letzter Wille. Das war's. Und so sind Hinterbliebene ausgerechnet in ihren schwersten Stunden schnell überfordert mit dem, was es alles zu erledigen gilt. Auch tragen viele Regeln, Rituale und Gebräuche, die bei Todesfällen einst Sinn und Sicherheit vermittelten, nicht mehr. Ein "Trauer-Knigge" will hier Abhilfe schaffen.
Trauer-Knigge als Ratgeber
Ob sich der alte Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge (1752-1796) darüber gefreut hätte? Schon kurz nach seinem Tod wurde der Aufklärer missbräuchlich als Benimm-Papst und Etikettenwächter in allerlei Lebenslagen vereinnahmt. Dabei ging es ihm in seiner bahnbrechenden Schrift "Über den Umgang mit Menschen" (1788) vielmehr um Takt, um das Vermeiden von Enttäuschungen im Miteinander. Dass auch beim Thema Tod und Trauer manch Fettnäpfchen droht, weiß jeder, der schon mal einen gut gemeinten, aber in hohlen Phrasen erstickten Nachruf ertragen musste.
Der "Trauer-Knigge" aus dem Münchner Claudius Verlag versteht sich zunächst als Ratgeber. Ihm geht es nicht um Vorschriften, was zu tun oder zu unterlassen ist. Das Büchlein will Orientierungshilfe bieten für einen angemessenen Umgang mit Verstorbenen und deren Angehörigen in einer Zeit, die den Tod weitgehend aus dem Alltag verbannt hat.
Weswegen den meisten auch jede Routine fehlt. Auf 144 Seiten hat eine namenlos bleibende Verlagsmitarbeiterin Tipps zusammengestellt, von A wie Abschied nehmen bis Z wie Zitate für Kondolenzkarten und Traueranzeigen.
Allgemeingültiges schwer zu formulieren
Angesichts der fortschreitenden Individualisierung von Lebenswelten ist es gar nicht leicht, Allgemeingültiges zu formulieren. Sorgsam vermeidet die Autorin an vielen Stellen Festlegungen. Wann ist es Zeit für einen Kondolenzbesuch, wie lange sollte ein Trauerprozess dauern (dürfen)? Erd- oder Feuerbestattung? Vor- und Nachteile werden abgewogen; aber letztlich muss der Leser selbst herausfinden, was für ihn das Richtige ist.
Freilich, an einem Punkt hebt auch der "Trauer-Knigge" den Zeigefinger hoch, bei der Garderobe am Grab: Schwarz müsse zwar nicht (mehr) sein, aber gedeckte Farben seien schon angebracht. Jeans, Baseballkappe oder Turnschuhe gingen gar nicht.
Zwischen den praxisorientierten Abschnitten finden sich einige aufschlussreiche Exkurse zum Wandel der Trauerkultur. So war es die englische Queen, die im 19. Jahrhundert einen doppelten Farbwechsel forcierte. Das weiße Brautkleid erlebte seinen endgültigen Durchbruch mit Victorias Heirat 1840. Bis dahin gaben die Frauen ihr Jawort in Schwarz. Nach dem frühen Tod ihres Gatten trug die britische Königin bis zum Ende ihres eigenen Lebens Witwentracht - 40 Jahre lang. Damit war Schwarz als Trauerfarbe etabliert.
Tipps für Hinterbliebene
Fündig wird im "Trauer-Knigge" nicht nur, wer unversehens durch eine persönlich versendete Todesanzeige zu einer Beerdigung eingeladen wird. Zuallererst richtet sich das Buch an die Hinterbliebenen selbst. Die haben neben dem Gefühlschaos, das ein lieber Verstorbener in ihnen hinterlässt, nun in kurzer Zeit vieles zu managen: Totenschein und Sterbeurkunde ausstellen lassen, Erbscheine und Bankvollmachten beantragen, Testamentseröffnung veranlassen, Versicherungen kündigen. Manchmal beträgt die Frist nur zwei Tage. Wohl dem, der da einen kundigen Helfer zur Seite hat.
Bei der Wahl des Bestatters rät die Autorin nachdrücklich zum Einholen von Vergleichsangeboten. Dabei sollte man sich als Kunde nicht mit Pauschalpreisen zufriedengeben und mit der Zusage, es sei schon alles darin enthalten. Die Bezeichnung "all inclusive" sei "leider sehr dehnbar". Außerdem würden Bestatter viele Fremdleistungen in Auftrag geben, die im Kostenvoranschlag nicht aufscheinen, sondern erst in der Endabrechnung: vom Blumenschmuck über das Waschen der Leiche bis zu den Sargträgern. Gerade bei Billigangeboten "steckt der Teufel gerne im Detail".