"Es ist wunderschön hier, man kommt her und ist überwältigt", sagt Steinmetzin Verena Eisl aus dem oberbayerischen Markt Schwaben über den Campo Santo Teutonico. Der traditionsreiche Friedhof der deutsch- und flämischsprachigen Länder liegt wie eine grüne Oase mit Palmen, Kapern und Oleander neben dem Petersdom im Vatikan. Neben viel Grün gibt es auch viel Weiß: Der Boden des Friedhofs ist geradezu mit Grabplatten gepflastert, die Wände ebenso. Darunter sind immer wieder auch ganz besonders gestaltete Grabstätten etwa mit Engelsskulpturen oder Kreuzwegszenen zu entdecken.
Mittendrin steht die 28-jährige Handwerkerin. An einer Marmor-Grabplatte an der Wand zieht sie mit feinem Strich eine eingemeißelte Inschrift mit dunkler Farbe nach. "Man braucht eine ruhige Hand und viel Konzentration", erklärt sie, während sie zuerst die Konturen eines Buchstabens zeichnet und dann das Innere ausmalt - "damit die Farbe möglichst nicht darüber hinaus fließt". Kaum vorstellbar, dass die Schrift, die wie gedruckt erscheint, wirklich per Hand in den Stein gemeißelt wurde. Eisl versichert: Das geht. Sie selbst hat es in ihrer Steinmetzlehre gelernt und schlägt immer wieder auf diese Art Inschriften in Stein.
Abwechslung und Kreativität
Eisl, die zunächst eine Lehre als Einzelhandelskauffrau absolvierte, macht am Städtischen Berufsschulzentrum für das Bau- und Kunsthandwerk in München ihren Meister, um den elterlichen Steinmetzbetrieb übernehmen zu können. Mit einer Gruppe der Schule ist sie zum Campo Santo gekommen, der über ein EU-gefördertes Kooperationsprogramm bereits seit zehn Jahren im Herbst von Schülern restauriert wird. "Es ist toll zu sehen, was man am Ende des Tages getan hat", sagt Eisl. Auch die Abwechslung und Kreativität in ihrem Beruf schätzt sie. Eine reine Männerdomäne ist er schon lange nicht mehr.
Sich bei der Grabgestaltung mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen ist für die Steinmetzin kein Problem, im Gegenteil: "Es ist schön, den Leuten einen Ort zu geben, an dem sie gedenken können", sagt sie. Freilich, solch aufwendig gestaltete Grabstätten wie sie teilweise auf dem Campo Santo sind, landen im elterlichen Betrieb eher selten auf dem Auftragszettel. "Aber auch Urnen und Grabplatten lassen sich wunderbar gestalten", sagt Eisl. In Deutschland machen sich ihrer Meinung nach viel zu wenig Leute Gedanken über das, was nach dem Tod kommt - "wahrscheinlich haben die meisten Angst", meint sie. Früher sei das anders gewesen. "Da kamen schon zu Lebzeiten Leute, um die Gestaltung ihres Grabsteins zu besprechen."
Zu Lebzeiten Grabstein gestaltet
Was auf den ersten Blick makaber klingen mag, erscheint auf den zweiten durchaus sinnvoll: So ist garantiert, dass man an einem selbst gewählten Ort, auf die Art und Weise, die man selbst möchte, die letzte Ruhe findet. Auf dem Campo Santo Teutonico gibt es tatsächlich einen Grabstein, der auf eigenen Wunsch hin bereits gestaltet wurde: Name- und Geburtsdatum sind bereits eingemeißelt. "In Deutschland ist das heute aber sehr selten", so Eisl. Generell ist sie aus der Heimat akkuratere Gräber gewohnt und Granitsteine statt Marmor. Sie hat schon einige Friedhöfe gesehen, aber dieser hier ist wirklich etwas Besonderes.
Besonders ist der Campo Santo nicht nur wegen des vielen Grüns und der Marmorsteine, sondern auch wegen seiner Lage - und damit ist nicht allein das Vatikan-Territorium gemeint. Denn, was nur die wenigsten wissen: "Wir sind hier auf dem Gebiet des Circus des Caligula und des Nero", erklärt der Rektor des deutschsprachigen Priesterkollegs am Campo Santo, Hans-Peter Fischer. In der hier um etwa 40 vor Christus erbauten Arena sollen der Heilige Petrus und die ersten Märtyrer der Stadt Rom ihren Tod gefunden haben. Heute erinnert daran eine Gedenkplatte auf dem Boden, nur wenige Meter neben dem Campo Santo Teutonico.
"Paradiesgarten"
Der Friedhof selbst hat nichts mehr von dem blutgetränkten, düsteren Ort, der er einmal war. Ganz im Gegenteil strahlt er Ruhe und Frieden aus. "Es ist ein Ort, der uns eine schöne Atmosphäre der Besinnung im sonst so lauten Rom schenkt. Auch wenn Töne über die Mauer in den Friedhof hineinkommen, ist die Stimmung trotzdem ganz speziell", sagt Rektor Fischer. Für ihn ist der Campo Santo ein "Paradiesgarten", ein "Ort der Hoffnung, der Zuversicht, des Lichts", auch wenn ein Friedhof natürlich nachdenklich mache. Nachmittags, wenn die Besuchszeiten für Touristen und Pilger vorbei sind, und der Campo nur jenen geöffnet ist, deren Angehörige auf dem Friedhof bestattet sind, drehen auch öfter Vatikanmitarbeiter "in Ruhe eine Runde", berichtet Fischer.
Selbst Papst Franziskus hat den Friedhof, der nur wenige Meter entfernt von seiner Unterkunft im Vatikan-Gästehaus Santa Marta liegt, in aller Stille schon einmal ohne Vorankündigung zum Gebet aufgesucht: Am 1. November hatte Franziskus das Grab eines kleinen Jungen aus der Diözese Buenos Aires besucht, in der Jorge Mario Bergoglio vor seiner Wahl zum Papst Erzbischof war. Auf seinen Wunsch hin war der kleine Thomas in einem Pilgergrab auf dem Campo Santo bestattet worden - und nun besuchte der Pontifex dieses Grab - "während wir in der Kirche unsere Messe feierten. Wir haben erst später davon erfahren", erinnert sich Fischer. Typisch Franziskus eben.
Für die Bestattung des Jungen hatten der Rektor und die Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes, in deren Besitz der Campo Santo ist, übrigens eine Ausnahme gemacht: Eigentlich dürfen nur Angehörige des deutschen Kulturraums auf dem Friedhof beerdigt werden. "Aber dem Papst haben wir diesen Wunsch natürlich gern erfüllt", so Fischer. Er fügt hinzu, dass - entgegen anders lautender Medienberichte, nicht auf Initiative des Papstes - "auch wenn das sicher in seinem Sinne war" - , sondern auf Wunsch der Erzbruderschaft Anfang 2015 auch der Obdachlose Willy Herteleer im Pilgergrab auf dem Campo Santo bestattet wurde. Dem Gedenken dieser zwei Menschen wurde mit der letzten Ruhestätte dort ein ganz besonderer Ort gegeben.