Muslimische Seelsorge sei kein "Wohlfühlthema", sondern eine große Herausforderung: Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), betonte am Montag bei einer Fachtagung der Deutschen Islamkonferenz (DIK) in Berlin, dass aus seiner Sicht der aktuelle DIK-Themenbereich oft fälschlicherweise als seichtes Thema abgetan werde. In der Debatte mit Praktikern und Wissenschaftlern wurde deutlich, wie viele offene und komplexe Fragen es gibt - darunter die Suche nach einem zentralen muslimischen Ansprechpartner, die Gleichberechtigung der Seelsorger sowie das Aufgabenfeld De-Radikalisierung.
Wohlfahrt, Flüchtlingshilfe und Seelsorge
Die vor rund zehn Jahren vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) initiierte DIK soll als zentrale Dialogplattform zwischen Staat und Islam dienen. Ziel ist es, die religions- und gesellschaftspolitische Integration der rund vier Millionen Muslime in Deutschland voranzubringen. Während in der ersten Phase vor allem Grundsatzfragen im Verhältnis von Staat und Religion debattiert wurden, heißen die Arbeitsschwerpunkte in der laufenden Phase Wohlfahrt, Flüchtlingshilfe sowie die muslimische Seelsorge beim Militär, im Krankenhaus und im Gefängnis.
Noch steckt die muslimische Seelsorge nach Einschätzung der Experten "in den Kinderschuhen". Der Wissenschaftler Abdelmalek Hibaoui vom Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen erklärte, dass zugleich die gesellschaftliche Erwartung an die Muslime sehr groß sei. Dass es dabei notgedrungen zu suboptimalen Übergangslösungen komme, schien für die Mehrheit der muslimischen Vertreter selbsterklärend. Zugleich wurden Modellprojekte vorgestellt, darunter der Verein "Muse - Muslimische Seelsorge Wiesbaden", der seit Jahren Seelsorge anbietet.
Hauptamtliche muslimische Seelsorge
Der Koordinationsrat der Muslime bekräftigte, dass das ehrenamtliche Angebot nicht reiche. Es brauche hauptamtliche muslimische Seelsorger in staatlichen Einrichtungen. Hierfür seien weitere finanzielle Mittel nötig, betonte der Sprecher des Koordinationsrats, Erol Pürlü.
Seelsorge im institutionellen Kontext, beim Militär, im Gefängnis oder im Krankenhaus, sei für Muslime ein neues Phänomen; zugleich sei Hilfe für Notleidende und Bedürftige im Islam fest verankert.
Der Vertreter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), Zekeriya Altug, verwies darauf, dass Seelsorge in Extrembereichen angesiedelt sei. Umso wichtiger seien Mindeststandards. Was jedoch als Seelsorge verstanden werde, müssten die Religionsgemeinschaften selbst definieren. Altug warnte davor, leichtfertig eine "neue Geistlichkeit" neben den Imamen zu schaffen.
Aus staatlicher Sicht sind nach Aussage der Ministeriumsvertreter vor allem die Frage der Kooperationspartner und des Ansprechpartners für eine muslimische Seelsorge entscheidend. Hier gebe es noch sehr viele offene Fragen, sagte Staatssekretär Krings. Zu klären gelte es auch, wie mit der Gefahr möglicher islamischer Radikalisierung umgegangen werde, etwa im Gefängnis, und welche Rolle hier Seelsorgern zukomme.
Christliche Hilfe beim Aufbau?
Nach Einschätzung der Experten gibt es ebenso bei der Finanzierung und Entwicklung von Standards viel zu tun. Während die Militärseelsorge über den Bund läuft, sind bei Gefängnissen und Krankenhäusern die Länder und Kommunen beziehungsweise bei Kliniken meist die Träger für die Seelsorge zuständig. Offen ist demnach auch, ob das seelsorgerische Schweigegebot auch für muslimische Vertreter gelten sollte.
Für den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, können die christlichen Glaubensgemeinschaften beim Aufbau einer muslimischen Seelsorge helfend zur Seite stehen."Wir sind angewiesen auf die Kirchen, auch im Bezug auf Beratung und Gestaltung, und sind auch offen dafür."
Insbesondere beim Aspekt der Krankenhausseelsorger wurde in der Debatte deutlich, dass neben der Strukturdebatte in der Praxis der Patient im Mittelpunkt steht - und damit derjenige, der die Seelsorge in Anspruch nimmt. Eventuell wäre also auch eine interreligiöse Seelsorge denkbar, wenn nicht gar wünschenswert.