Sant'Egidio zur Volksabstimmung über die Todesstrafe

"Du sollst nicht töten"

Eine Entscheidung über Leben und Tod: In drei US-Bundesstaaten wird über die Todesstrafe abgestimmt. Pfarrer Matthias Leineweber von der Gemeinschaft Sant'Egidio über eine Wahl, die nicht unbedingt vom Volk entschieden werden sollte.

Hinrichtungszelle in den USA (dpa)
Hinrichtungszelle in den USA / ( dpa )

domradio.de: 750 Menschen im Todestrakt ohne Todesstrafe - das müssen Sie uns erklären.

Pfarrer Matthias Leineweber (katholische Gemeinschaft Sant'Egidio): Es gibt tendenziell eine Entwicklung in den USA und auch in Kalifornien das Thema zu überdenken und zu bearbeiten. Das heißt nicht, dass die Todesstrafe abgeschafft ist, aber das man nicht hinrichtet. Das ist natürlich erstmal sehr positiv für die Betroffenen. Aber diese Ungewissheit ist für die Menschen, die im Todestrakt manchmal schon Jahrzehnte sitzen, und für die Angehörigen eine große Ungewissheit.

domradio.de: Bedeutet das, wenn bei der Abstimmung in Kalifornien herauskommt, dass das Volk für die Wiedereinführung der Todesstrafe ist, dann werden diese 750 Menschen hingerichtet?

Leineweber: Das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Das hängt immer von der Situation ab, inwieweit eine Berufung vorliegt oder inwieweit der Fall fortgeschritten ist. Es kann natürlich dazu führen, dass wenn die Bevölkerung sich gegen die Abschaffung der Todesstrafe entscheidet, dass dann die Richter dazu neigen, zu sagen: "Ok, manche Fälle werden jetzt auch vollstreckt." Das kann natürlich dann möglich sein. 

domradio.de: Jetzt sind die USA wohl das technisch fortschrittlichste und mächtigste Land der Welt. Trotzdem gibt es dort im 21. Jahrhundert noch die Todesstrafe. Wohin geht die Entwicklung?

Leineweber: Die letzten Jahre sind eigentlich als eine Entwicklung zu sehen, das Thema zu überdenken. Es ist auch ganz wichtig, ein bisschen vernünftiger daranzugehen und nicht so emotional. Man sollte auch bedenken, welche Argumente eigentlich dafür und dagegen sprechen. Ein Argument, das für die Todesstrafe eingewandt wird ist: Sie würde abschrecken. Allerdings hat man in viele Staaten auch festgestellt, dass die Gewaltverbrechen nicht abgenommen, sondern eher zugenommen haben. Ein Grund ist auch, dass der Staat auch Gewalt anwendet, die er offiziell eigentlich verhindern will. Das ist auch ein großer Widerspruch und das verstehen auch zunehmend die Menschen in den USA nicht mehr.

Da gibt es eine positive Tendenz in den letzten Jahren zu entdecken. Sieben Bundesstatten haben nämlich in den letzten sieben Jahren die Todesstrafe abgeschafft. Jedes Jahr ein Staat, das ist sehr hoffnungsvoll auch für uns, die natürlich gegen die Todesstrafe arbeiten.

domradio.de:Auch Papst Franziskus spricht sich deutlich gegen die Todesstrafe aus. Glauben Sie, dass das eine Rolle bei den Entscheidungen in den USA spielt?

Leineweber: Ganz sicher. Franziskus war auch im Kongress und hat dort auch dieses heikle Thema angesprochen. Das war sehr mutig. Er hat es sehr vorsichtig gemacht. Er hat keine Anklage erhoben, aber er hat auch dafür geworben, sich mit den Argumenten nochmal auseinanderzusetzen. Er hat zu bedenken gegeben, dass in einem Land mit einer christlichen Kultur, das Gebot: "Du sollst nicht töten" nicht irgendwie eingeschränkt oder hinterfragt werden darf. Besonders in einem Land, in dem sich der Staat ganz massiv eigentlich für den Schutz des Lebens einsetzt, aber dann das Leben in bestimmten Fällen doch nicht schützt. Ich finde, dass hat eine wichtige Auswirkung gehabt, neben den verschiedenen Fällen, die es gegeben hat; zum Beispiel, dass das Medikament bei der Hinrichtung mit der Giftspritze nicht gewirkt hat und einige Kandidaten minutenlang mit dem Tod gerungen haben. Das hat auch die Menschen aufgerüttelt und zum Nachdenken gebracht.

domradio.de: Die Entscheidung über die Abschaffung liegt jetzt in drei Staaten beim Volk, im wahrsten Sinne eine Entscheidung über Leben und Tod. Sollte sowas überhaupt vom Volk entschieden werden?

Leineweber: Das ist eine schwierige Frage. Vor allen Dingen in Situationen, die nicht einfach sind. Es sollten die Argumente gut abgeklärt werden. Man müsste eine vernünftige Debatte, die nicht emotionsgeladen ist, beginnen. Das ist natürlich in so einer Diskussion, ich merke das auch wenn ich mit Menschen und gerade mit Jugendlichen zum Beispiel nach Terroranschlägen spreche, sehr schwierig. Deshalb ist es sicherlich sinnvoll diese Diskussion breit aufzustellen. Aber dann letztlich das Volk entscheiden zu lassen, sehe ich zumindest fragwürdig. Das man eine Tendenz abfragt oder Meinung hört, das ist sicherlich wichtig. Letztlich sollte man dann doch gucken, dass es auf alle Fälle eine Entscheidung gibt, die wirklich rational gut durchdacht ist.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR