Drängt die Wahl von Donald Trump ins Weiße Haus die katholischen Bischöfe bei ihrer eigenen Personalentscheidung zu einem Signal an den künftigen US-Präsidenten? Der erfahrene Kirchenbeobachter und US-Journalist John Allen hält das für denkbar. "Ironischerweise spricht einiges dafür, dass auf der Führungsebene der US-Kirche der Beginn des Trump-Zeitalters ein Anschub für progressive Gedanken sein könnte", schreibt Allen auf dem Online-Portal "Crux".
Allen liefert dafür ein schlagendes Argument: Einige Bischöfe dürften versuchen herauszufinden, was die potenziellen Streitthemen mit einer Trump-Regierung sein werden. "Sie wählen dann einen Anführer, der die Interessen der Kirche am besten vertreten kann."
Gesucht: Paroli-Gegner für Trump
Nach dieser Logik hätten Kandidaten wie der bislang favorisierte Kardinal Daniel DiNardo (67) aus Galveston-Houston, Erzbischof Charles Chaput (72) aus Philadelphia oder Erzbischof William Lori (65) aus Baltimore plötzlich weniger Chancen. Sie waren bei einer Präsidentschaft Hillary Clintons wegen ihrer klaren Positionierung im Kampf um Abtreibung, Verhütung und "Homo-Ehe" ganz oben auf der Liste erwartet worden.
Nun wird eher jemand gebraucht, der Trump Paroli bieten kann, wenn es um die Behandlung von Einwanderern, die Verteidigung der Religionsfreiheit und andere kontroverse Themen geht. Als Kompromisskandidaten kämen dafür Erzbischof Jose Gomez (64) von Los Angeles oder Miamis Erzbischof Thomas Wenski (66) in Frage.
Der Schattenkandidat im Rennen ist der designierte Kardinal von Chicago, Blase Cupich. Der 67-Jährige steht im Ruf, der Liebling von Papst Franziskus unter den US-Bischöfen zu sein. Bislang hat niemand Cupich nominiert, und der Kardinal selbst hat nicht zu erkennen gegeben, ob er für die Aufgabe bereitstünde.
Politisch gespaltene Katholiken
Eine Überraschung wäre nicht neu bei der US-Bischofskonferenz. Deren früherer Sprecher Russell Shaw hielte es allemal für bedeutsam, den Papst auf seiner Seite zu haben. In jedem Fall stehen die Bischöfe nach den Wahlen vor der delikaten Aufgabe, das politisch gespaltene Kirchenvolk auf die eigenen Prioritäten einzuschwören. 52 Prozent der Katholiken haben bei den Präsidentenwahlen für Trump gestimmt; 47 Prozent bevorzugten Clinton.
Besonders schmerzlich ist die Spaltung zwischen weißen Katholiken und Latinos - bei denen wegen des demographischen Wandels viele die Zukunft der US-Katholiken sehen. Während 60 Prozent der Weißen den Rechtspopulisten Trump unterstützen, der eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und Millionen Einwanderer ohne Papiere abschieben will, unterstützten 67 Prozent der katholischen Latinos Hillary Clinton.
Der Erzbischof von LA Gomez, dessen Diözese mehrheitlich aus Latinos besteht, wandte sich am Wochenende in unmissverständlichen Worten an den künftigen Präsidenten. "Wir müssen Menschen des Friedens, Menschen des Mitgefühls sein. Liebe, nicht Hass. Gnade, nicht Rache", sagte Gomez. Er versprach, die "Schwestern und Brüder ohne Papiere niemals alleinzulassen." Ungeachtet dessen kündigte Trump in einem Interview an, er werde als eine seiner ersten Amtshandlungen "zwei bis drei Millionen" illegale Einwanderer ausweisen lassen.
Pastorale Themen auf der Agenda
Die Konsequenzen der Wahl, aber auch die Schwerpunkte der US-Bischöfe für die kommenden Jahre werden die Diskussionen in Baltimore in den nächsten Tagen dominieren. Es geht aber auch um pastorale Anliegen wie Ehevorbereitung oder Hilfen für verheiratete Paare.
Gewählt werden neben dem Nachfolger des bisherigen Vorsitzenden Erzbischof Joseph Kurtz (70) aus Louisville im US-Bundesstaat Kentucky auch die Vorsitzenden wichtiger Komitees innerhalb der Bischofskonferenz. Mit Spannung verfolgt werden die Entscheidungen für das Evangelisierung- und Katechese-Komitee (Kandidat ist Weihbischof Robert Barron, Los Angeles) und das Komitee für Internationale Gerechtigkeit und Frieden (Kandidat: Bischof Robert McElroy aus San Diego).