domradio.de: Der Buß- und Bettag klingt erst mal nach Buße tun und beten, oder was steckt hinter diesem Feiertag?
Pfarrer Oliver Mahn (Evangelische Antoniter-City-Kirche in Köln): Das ist richtig und genau die Bedeutung dieses Tages. Beten ist uns meistens noch geläufiger - das kennen wir. Buße tun klingt ein bisschen sperriger. Und tatsächlich ist es so, dass wir den Begriff unterschiedlich benutzen können. Wir assoziieren sehr schnell damit büßen für etwas, das wir verbrochen haben. Das ist tatsächlich nicht gemeint. Die Buße geht hier eher in die Richtung, was wir mit dem Begriff Reue beschreiben können. Wir kennen das in der Umgangssprache eher noch als bereuen. Es geht also eher um eine Selbstbesinnung, eine Umkehr. Man schaut dabei, was im eigenen Leben, in der Welt oder in der Beziehung zu Gott falsch läuft. Darum soll es an dem Tag gehen.
domradio.de: Also nicht büßen, sondern bereuen und die Haltung überdenken. Das erinnert mich an die Bedeutung des katholischen Aschermittwochs nach Karneval.
Mahn: Ich denke, das kann man ganz gut - vor allem hier in Köln - vergleichen.
domradio.de: Inwiefern machen Sie den Buß- und Bettag zum Thema in Ihrer Gemeinde heute?
Mahn: Der Buß- und Bettag ist bei uns in Nordrhein-Westfalen kein Feiertag mehr. Das bedeutet ganz praktisch, dass evangelische Gemeinden ihre Buß- und Bettagsgottesdienste am Abend feiern müssen, damit ihre Gemeindemitglieder kommen können. In vielen Gemeinden in Köln finden heute Buß- und Bettag-Gottesdienste statt. Eine Besonderheit ist tatsächlich, dass der Buß- und Bettag einer der Tage ist, der sehr gerne auch ökumenisch gefeiert wird. Viele Gemeinden in Köln feiern heute dementsprechend auch ökumenische Gottesdienste. Da sieht man ganz schön, dass das Anliegen des Tages eben gar nicht rein evangelisch ist, sondern ein ur-christliches Anliegen ist, das man gut ökumenisch begehen kann.
domradio.de: Buß- und Bettag ist nun kein gesetzlicher Feiertag mehr und ein bisschen aus dem Blick verloren gegangen, oder?
Mahn: Genau das ist eines der Probleme. Dadurch, dass es kein Feiertag mehr ist, an dem die Leute frei haben, gerät es aus dem Blick. Unsere Welt wird immer schnelllebiger und es bleibt kaum noch Zeit, sich der Selbstbesinnung und der Umkehr zu widmen. Positiv ist allerdings, dass es nach wie vor in der Evangelischen Kirche ein Feiertag im Festkalender ist. Solange er dort drin steht, wird er auch noch von Gemeindemitgliedern wahrgenommen.
domradio.de: In Sachsen ist Feiertag und die Schulen in Bayern haben unterrichtsfrei. Würden Sie sich das für Nordrhein-Westfalen auch vorstellen können?
Mahn: Es sind ja nicht nur die Schulen, sondern es haben in Bayern heute auch viele Kindergärten geschlossen. Die Schüler in Bayern finden das, was ich jetzt sage, vielleicht nicht ganz so gut, denn ich persönlich halte das für keine gute Regelung. Diese Schnelllebigkeit und der Alltagsstress, den die Menschen ohnehin schon haben, werden durch die Regelung in Bayern nur noch verschärft. Eltern und berufstätige Menschen müssen nämlich heute noch schauen, wie sie ihre Kinder versorgen und haben dadurch noch weniger Zeit, den Feiertag wirklich wahrzunehmen. Die Lösung "Schüler frei - Eltern nicht" halte ich für keine gute Idee.
Das Interview führte Tobias Fricke.