"Die katholische Kirche steckt in der tiefsten Vertrauenskrise seit 500 Jahren, seit der Reformation - und der evangelischen Kirche geht es auch nicht sehr berauschend", sagte der Leiter des Ressorts Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung" am Samstag auf dem Neujahrsempfang des Kirchenkreises Duisburg. "Wenn in dieser neuen Krise eine Chance steckt, dann die: die alte Spaltung, die 500-jährige Spaltung zu überwinden."
Spätestens seit den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche habe "ein Prozess der Entweihung der Hierarchie eingesetzt, den die katholische Kirche nur mit Demut beenden und wieder umkehren kann", erklärte Prantl laut vorab verbreitetem Redemanuskript. "Diese könnte ein Gewinn sein für die Ökumene; denn bisher hat der Hochmut der katholischen Kirche ein wirkliches Miteinander mit den lutherischen Kirchen verhindert." Die Krise der katholischen Kirche sei "nichts, was evangelische Christen klammheimlich freuen kann", denn der "Generalverdacht infiziert alles Kirchliche".
Stärkung des interreligiösen Dialogs
Prantl rief die christlichen Kirchen auf, sich auch anderen Konfessionen gegenüber zu öffnen. Die Angst vor dem Verlust der "christlichen Werte" sei "ja hierzulande paradoxerweise gerade in jenen Milieus ausgeprägt, die von eben diesen Werten sonst wenig wissen wollen", erklärte der 63-Jährige, der seit 2011 Mitglied der SZ-Chefredaktion ist. Viele praktizierende Christen dagegen suchten und pflegten den interreligiösen Dialog. "Gott ist der Gott, den auch der andere verehrt, aber jeder nennt ihn anders und jeder erkennt ihn anders, jeder preist ihn anders", sagte Prantl. "Der eine baut ihm einen Glockenturm, der andere ein Minarett."
Die Suche nach Gemeinsamkeiten sei ein "bisher gescheitertes Jahrtausendprojekt". "Das ist die Reformation, die uns bevorsteht", betonte der Journalist und Autor auf dem Neujahrsempfang in der Duisburger Salvatorkirche, zu dem etwa 300 Gäste aus Kirche, Medien, Wirtschaft und Politik erwartet wurden.