Bundesgerichtshof bestätigt Urteil im Lüneburger Auschwitz-Prozess

Späte Gerechtigkeit

Eva Pusztai-Fahidi hat Auschwitz überlebt. Im Lüneburger Prozess gegen Oskar Gröning gehörte sie zu den Nebenklägern. Nachdem der Bundesgerichtshof jetzt das Urteil gegen den früheren SS-Mann bestätigt hat, schließt sich für sie eine Lücke.

Autor/in:
Karen Miether
Auschwitz-Überlebende mit nachkoloriertem Bild / © Philipp Schulze (dpa)
Auschwitz-Überlebende mit nachkoloriertem Bild / © Philipp Schulze ( dpa )

Eva Pusztai-Fahidi spricht von einem großen Tag in ihrem Leben. Ein Tag, auf den sie lange habe warten müssen. Am Montag hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Entscheidung mitgeteilt, die für die 91-jährige Auschwitz-Überlebende so wichtig ist. Das im Juli vergangenen Jahres ergangene Urteil des Landgerichtes Lüneburg gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning (95) ist rechtskräftig. Gröning war in Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager Auschwitz in 300.000 rechtlich zusammenhängenden Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Urteil höchtrichterlich bestätigt

Der Bundesgerichtshof hat Revisionsanträge von Grönings Anwälten und einigen Nebenklage-Vertretern gegen das Urteil zurückgewiesen, wie er am Montag mitteilte. Damit wurde erstmals eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Massenmord in dem früheren Vernichtungslager Auschwitz höchstrichterlich bestätigt. Pusztai-Fahidi gehörte im Lüneburger Prozess zu den rund 70 Nebenklägern - Auschwitz-Überlebenden und Angehörigen von Opfern.

Nachdem ihr Anwalt Thomas Walther ihr von der Karlsruher Entscheidung berichtet hat, sagt sie, jetzt habe sie Gerechtigkeit erfahren. "Es ist so sehr spät geschehen", fügt sie an: "Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich eine solche Gerechtigkeit in meinem Leben noch haben muss."

Oskar Gröning hat aus Sicht des Lüneburger Gerichtes 1944 das Morden in Auschwitz unterstützt. Mit dem Bewachen von Gepäck und dem Verwalten der Gelder der Gefangenen habe der Mitarbeiter der Devisenabteilung im Lager die grausamen und heimtückischen Morde gefördert. Von den rund 425.000 ungarischen Juden, die zwischen dem 16. Mai und dem 11. Juli 1944 nach Auschwitz verschleppt wurden, kamen mindestens 300.000 in den Gaskammern ums Leben.

Leidensgeschichten prägen Prozess

Die Lebens- und Leidensgeschichten von Menschen wie Eva Pusztai-Fahidi hatten den Lüneburger Prozess maßgeblich geprägt. Die heute in Budapest lebende Ungarin schilderte vor dem Gericht, wie sie mit ihrer Familie 1944 unter unvorstellbar grausamen Umständen aus Debrecen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt wurde. Am frühen Morgen des 1. Juli 1944 verlor die damals 18-Jährige dort nach der Selektion an der Rampe ihre Eltern und ihre 11-jährige Schwester, die vergast und deren Leichen verbrannt wurden.

Erstmals konnte sie vor einem Gericht aussprechen, dass die Ermordung ihrer nächsten Angehörigen "damals ein Verbrechen war, noch heute eins ist und morgen und in alle Ewigkeit", wie sie es während des Verfahrens formulierte. Heute sagt sie: "Jahrzehnte gab es diese Lücke in der deutschen Justiz. Jetzt ist diese Lücke geschlossen. Jetzt ist alles an seinem Platz."

Haftantritt ungewiss

Dass gegen Gröning mehr als 70 Jahre nach seinen Taten verhandelt wurde, lasteten Nebenklage-Anwälte auch einem jahrzehntelangen Versagen der deutschen Justiz im Umgang mit NS-Tätern an. Bei ihrer Verfolgung sei geltendes Recht nicht angewendet worden, sagt etwa Nebenklage-Anwalt Thomas Walther. Er und seine Kollegen Cornelius Nestler und Manuel Meyer würdigten die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: "Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte", erklärten sie. "Und wer mitgemacht hat, hat sich wegen Beihilfe zum hunderttausendfachen Mord strafbar gemacht." Das habe der BGH jetzt bestätigt und damit eine Leitentscheidung getroffen.

Auch Oskar Gröning hatte zum Abschluss des Lüneburger Prozesses diese Worte benutzt: "Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte." Und er fügte an: "Das ist mir bewusst. Ich bereue aufrichtig, dass ich diese Erkenntnis nicht viel früher und konsequenter umgesetzt habe." Anders als viele andere NS-Täter räumte Gröning stets eine moralische Mitschuld ein und stellte sich trotz angegriffener Gesundheit dem Prozess. Ob der 95-Jährige seine Haft jetzt tatsächlich antreten muss, ist von seinem Gesundheitszustand abhängig. Zudem kündigte sein Anwalt Hans Holtermann an, er wolle eine Verfassungsbeschwerde prüfen.


Quelle:
epd