Noch lange, bevor Franziskus am Freitag langsam und allein das Tor durchschreitet, kommen einige Überlebende an. Manche werden von jungen freiwilligen Helfern der Gedenkstätte begleitet, die sich an diesem Tag um sie kümmern.
Gemeinsam mit den Jugendlichen gehen oder fahren auch die Überlebenden durch das Tor. Aufrecht, 71 Jahre nach der Befreiung. Ein Mann trägt ein blau-weiß gestreiftes Halstuch. Die Überlebenden sind auf dem Weg zum Papst und werden später mit ihm sprechen.
Besuch in Auschwitz gehört nicht zum Weltjugendtagsprogramm
Franziskus' Besuch fällt in die Zeit des Weltjugendtages im nahen Krakau. Einige Tage lang ist das Gelände des ehemaligen größten deutschen Vernichtungslagers nur für extra registrierte rund 300.000 Teilnehmer geöffnet. Doch am Freitag darf nur der Papst in die Gedenkstätte. Für sein Schweigen hat er schon im Vorfeld viel Zuspruch bekommen. Auch die freiwilligen Helfer sehen das so. Es zeige, "dass er es für sich und nicht für die Öffentlichkeit macht", sagt Bartosz Hadryan. Der 17-Jährige lebt "im Schatten" des früheren Lagers, in der knapp 40.000 Einwohner zählenden Stadt Oswiecim.
Eine andere Freiwillige, Dorota Zawadzka, zeigt auf ein weiß-braunes Armband an ihrem Handgelenk. Dies habe sie von einem Besucher aus Panama bekommen, erzählt die 16-Jährige. Das sei etwas besonderes für sie. Sie hätten erfahren, dass die Besucher aus Panama zuhause kaum etwas über Auschwitz gelernt hätten, sagen die Freiwilligen.
Leben in Auschwitz
Manchmal muss man erst wieder neu begreifen, dass in Oswiecim heute ein ganz normales Alltagsleben stattfindet. Menschen reagierten oft betroffen oder erschrocken, wenn sie sagten, sie kämen aus dieser Stadt, berichten die Freiwilligen. Julia Musiol (16) erzählt von einer Freundin, die einmal von einem Italiener spontan umarmt worden sei, als sie sagte, sie lebe in dem Ort, der unter deutscher Besatzung Auschwitz hieß. Und Hadryan sagt: "Manche Menschen denken, wir leben in einem Museum."
Eine der Überlebenden, die am Freitag den Papst trifft, ist Eva Umlauf. Sie war erst zwei Jahre alt, als sie mit ihrer Familie Ende 1944 nach Auschwitz gebracht wurde. Ihre Mutter war bei der Ankunft schwanger und brachte ihre Tochter Eleonora im April 1945 auf die Welt. Mit ihrer Mutter erlebte Umlauf die Befreiung der Häftlinge. "Ich möchte der Jugend sagen, dass es sich lohnt zu kämpfen, weiterzuleben", sagt die 74-Jährige in einem Interview vor dem Papstbesuch. Sie mahnt: "Die Vergangenheit vergeht nie." Umlauf appelliert an junge Menschen, auch in widrigsten Umständen ein «"Ja zum Leben" zu sagen. Es sei wichtig, dass sie sich mit der Geschichte von Auschwitz beschäftigten, man müsse alles tun, damit so etwas nie wieder passiere.
Brief an Jugendliche
Schon vor dem Weltjugendtag hatten sich Auschwitz-Überlebende in einem bewegenden Brief an die jungen Besucher gewandt. "Ihr werdet einen der traurigsten Orte der Welt sehen", steht darin. Sie erinnern daran, dass viele der damaligen Opfer und Häftlinge im Alter der heutigen Besucher gewesen seien. "Aus Auschwitz und den Feldern der Asche, die Ihr besuchen werdet, sind die allermeisten von uns alleine zurückgekehrt." Sie appellieren an Jugendliche, wegen aktuellem Rechtsextremismus und Hetze gegen Flüchtlinge in vielen Ländern Toleranz und Demokratie zu schützen. Und: "Habt Freude am Leben."